Ein weites Land – Miteinander (Geschichten aus der Ferne) (German Edition)
Horizont zuckten Blitzstrahlen herab und der Himmel wurde immer dunkler und bedrohlicher. „Heilige Scheiße!“ Wieder blitzte es. Wally zeigte in Richtung Horizont. „Hast du das gesehen?“, fragte er und packte das Lenkrad fester.
„Ist das ein Tornado?“
„Scheiße, ja!“ Als vor ihnen eine Straßenüberführung auftauchte, gab Wally Vollgas und raste wie ein geölter Blitz auf deren Schutz zu. Er fuhr auf den Seitenstreifen und parkte hinter einem anderen Auto.
„Was machen wir jetzt?“
Wally hatte schon die Tür offen. Ein tiefes Grollen lag in der Luft, wie das Geräusch eines herankommenden Güterzugs und seine Haut knisterte vor Elektrizität. „Los, unter die Brücke, ganz rauf bis unter die Fahrbahn und bleib dort!“ Wally schlug die Tür zu und rannte die Böschung hinauf. Einige andere Menschen hatten bereits unter den massiven Betonpfeilern Schutz gesucht und Wally kauerte sich zu ihnen. Phillip war gleich an seiner Seite. Während das Grollen immer näher kam, hielten sie sich aneinander fest. Wally bekam immer stärkeren Druck auf die Ohren, sein Herz raste und der Wind pfiff ohrenbetäubend. Er kniff die Augen gegen den Staub und Dreck zusammen und klammerte sich fest. Geräusche wie das Kreischen und Quietschen von Metall auf Metall klangen an sein Ohr, aber er ließ nicht los. Er konnte fühlen wie Phillips Körper sich an ihn presste.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis der Wind endlich nachließ. Das Grollen zog an ihnen vorbei und wurde leiser, verklang schließlich. Wally öffnete die Augen und sah sich um. Niemandem schien etwas passiert zu sein. Als er in Richtig Fahrbahn blickte, sah er, dass das Auto, das vor ihnen geparkt hatte, verschwunden war; er entdeckte es sechzig Meter weiter im Straßengraben. Ihr eigener Wagen stand immer noch an der Straßenseite, allerdings gute fünfzehn Meter von da entfernt, wo sie ihn abgestellt hatten.
„Was ist mit unserem Auto?“, fragte Phillip.
„Es sieht so aus, als hätte der Wind es nur herumgeschoben.“ Sie krochen unter der Brücke hervor und gingen hinunter zu ihrem Wagen. „Es ist o.k.“ Nicht einmal ein Fenster war zerbrochen. Wally spähte gen Himmel, der schon wesentlich heller geworden war. „Wie geht’s jetzt weiter?“ In dem Moment öffnete der Himmel seine Schleusen und es begann in Strömen zu regnen. Wally ging dorthin, wo die anderen beieinander standen. Allen schien es gut zu gehen, außer dem Pärchen, dessen Auto im Straßengraben gelandet war. Anrufe wurden gemacht und als es schließlich aufhörte zu regnen, war schon Hilfe unterwegs. Wally und Phillip setzten sich wieder in ihr Auto und Wally zog die Fahrertür hinter sich zu. „Das war echt cool!“
Phillip sah ihn kopfschüttelnd über seinen Sitz hinweg an. „Du bist echt krank, Mann.“ Dann fingen beide an zu lachen, ließen Panik und Furcht hinter sich, als sie wieder auf die Fahrbahn einbogen. Der Tornado hatte eine deutliche Spur hinterlassen; nördlich des Highways waren Häuser und Felder auf zwei Meilen Breite plattgewalzt. Danach sah alles ganz normal aus. „Fahr nicht zu schnell.“
„Ich habe nicht vor ...“ Wally stieg auf die Bremse, als ein umgestürzter Sattelschlepper auf der Straße vor ihnen auftauchte. „Jee-sus“ Weitere Autos waren von der Straße abgefahren. Wally schlich im Schneckentempo auf dem Seitenstreifen um das hintere Ende des LKW-Anhängers herum, bevor er den Wagen wieder auf den Highway zurückmanövrierte.
Während sie wieder schneller wurden, hellte sich der Himmel auf und die Straße öffnete sich vor ihnen. Wally ging aufs Gas. Je weiter sie kamen, desto heller wurde es, bis die ersten Sonnenstrahlen die Straße erleuchteten. Phillip begann zu kichern.
„Ich habe ja schon einiges gesehen. Aber eine rosafarbene Straße? Das muss der schwulste Ort überhaupt sein.“
„Wie kommt das?“
„Der Schotter, den sie hier dem Asphalt beigemischt haben, muss wohl rosa gewesen sein und das kommt durch, wenn es regnet.“
„Ich werd’ nicht mehr. Was es nicht alles gibt.“ Wally fuhr schneller, die Reifen flogen nur so über den rosafarbenen Asphalt. Allmählich waren sie wieder in der Zeit. Unterwegs zählten sie zur ihrer Unterhaltung die Hinweistafeln für den berühmten Drug Store in Wall.
Ein paar Stunden später veränderte sich die Landschaft drastisch. Die Prärie ging in die Badlands über; eine wüstenartige Landschaft voller ausgewaschener, von Wind und Regen gefurchter Hügel, auf deren
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