Ein wilder und einsamer Ort
wieder ein, die ich gestern beim Bezahlen des Taxis von
Kenny bekommen hatte.
Ich wählte die Nummer auf der Karte und
erreichte Kenny zu Hause. Natürlich wisse er, wo das Princes Quarter sei, und
er kenne auch Regina Altagracias Ziegenfarm. »War mal eine stinkfeine Familie
hier in der Gegend«, setzte er hinzu. »Jetzt nimmer.«
Ich fragte ihn, was es mich kosten
würde, mich von ihm dort hinbringen zu lassen.
»Dreißig US-Dollar?« Es klang so
zaghaft, daß es garantiert das Doppelte des üblichen Fahrpreises war.
»Gut.« Schließlich zahlte ja RKI.
»Holen Sie mich bitte da ab, wo Sie mich gestern abgesetzt haben. In einer
Stunde.«
Ich legte auf und rechnete, wie spät es
jetzt in San Francisco war. Halb elf vormittags. Cam hatte mir erklärt,
Ferngespräche führe man am besten über eine eigenständige
Fernsprechgesellschaft, die Visa-Karten akzeptierte. Ich wählte die Nummer, die
er mir gegeben hatte, und nannte der Vermittlung meine Kreditkartennummer und
Adah Joslyns Rufnummer.
Adahs Telefon läutete elfmal, ehe ich
wieder auflegte. Wieder kein Anrufbeantworter. War sie überhaupt daheim
gewesen, seit ich es das letztemal versucht hatte? Es wurde Zeit, daß jemand
nachsah, was da los war.
Ich rief wieder die
Fernsprechgesellschaft an und nannte diesmal Greg Marcus’ Apparatnummer in der
Hall of Justice. Der Anruf kam sofort durch, und ich hörte Gregs Stimme so klar
über die Leitung, als riefe ich vom anderen Ende der Stadt an.
Nicht so auf seiner Seite. Er sagte:
»Von wo rufst du an? Klingt, als wärst du in einem Tunnel.«
»Ich bin in der Karibik.« Um Fragen
abzubiegen, fügte ich hinzu: »Ferngesprächsminuten kosten hier soviel wie
Diamanten. Hast du irgendwas über die Leute rausgefunden, die du für mich
überprüfen solltest?«
»Über Schechtmann nichts außer der
Glücksspiel-Anklage. Nichts über seine Frau, Ronquillo und Newton, aber eine
Menge über Chloe Love. Sie ist tot, ermordet, in ihrer Wohnung im Lake Merritt
District in Oakland am sechsundzwanzigsten Januar neunzig. Das habe ich von
meiner Freundin, die sie von der Gastronomiefachschule kennt. Gestern habe ich
jemanden vom Police Department in Oakland angerufen, einen Mann, mit dem ich
vor Jahren mal ein paar Mordfälle in Kooperation bearbeitet habe; er hat
nachgesehen, was sie über den Fall haben. Üble Sache: Sie wurde vergewaltigt
und erwürgt. Dawud Hamid wurde im Zusammenhang mit dem Mord vernommen — aber
nur kurz.«
Meine Haut prickelte, und ich faßte den
Hörer fester. »Kurz, weil ein Anwalt aufkreuzte und sich auf Hamids
diplomatische Immunität berief?«
»Du sagst es. Nach zwei Stunden ist
Hamid wieder aus dem Präsidium marschiert.«
Und zu Beginn des nächsten Monats war
er von der Bildfläche verschwunden. Laut Mavis war die Polizei nicht
benachrichtigt worden, weil das Ganze zu kurz nach irgendeinem Geschehnis
passiert war, über das sie nicht weiter reden wollte. Sie hatte geglaubt, ihre
Schwiegermutter habe Privatdetektive eingeschaltet, aber ich vermutete jetzt,
daß das nur ein Märchen gewesen war, damit Mavis nicht dahinterkam, daß Malika
Dawud außer Landes geschickt hatte. Aber warum zu Klaus Schechtmann, dessen
Einfluß ihre einst so massive Kontrolle über ihren Sohn ohnehin schon
geschwächt hatte? Warum nicht zurück nach Azad?
Einen Grund konnte ich mir denken: Der
bekehrte Sheik Said bin Muhammad al-Hamid hatte die Todesstrafe für Mord und
Vergewaltigung wieder eingeführt. Der Sheik war zuvor schon ziemlich grob mit
Familienmitgliedern umgesprungen, und meines Wissens war moslemisches Recht
weltweit gültig. Malika wollte nicht riskieren, daß ihr Sohn für seine
Verbrechen vor ein azadisches Gericht kam — und womöglich gesteinigt wurde.
»Greg«, fragte ich, »warum haben sie
Hamid vernommen?«
»Er hatte Chloe Love belästigt. Zwar
nicht direkt physisch, aber es ging doch immerhin so weit, daß sie zwei Tage
vor ihrem Tod noch bei ihrem Anwalt war, um eine einstweilige Verfügung zu
erwirken, die es ihm untersagte, in ihre Nähe zu kommen. Der Anwalt erklärte
ihr, wegen seiner diplomatischen Immunität sei da gar nichts zu machen.«
»Wurde der Mord je aufgeklärt?«
»Die Akte ist unabgeschlossen und wird
es immer bleiben.«
»Weil Hamid der Täter war?«
»Genau. Es gab genügend Indizien dafür,
daß er in der Wohnung war, und einen Augenzeugen, der ihn zum fraglichen
Zeitpunkt aus dem Haus hatte kommen sehen. Die Staatsanwaltschaft erwog, trotz
seines
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