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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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verkehrt herum in seinem Bett. Weil er schlecht geträumt hatte, war er irgendwie herumgerutscht, und so lagen seine Füße am Kopfende, was verrückt aussah, doch es war sein Zimmer, sein eigenes Zimmer bei sich zu Hause, und er lag auf seinen eigenen Kissen, in seinem eigenen Bettzeug.
    Nichts war geschehen. Alles würde heute so sein wie gestern und wie immer. Niemand war in der Nacht gestorben, und er war auch nicht in Decken gewickelt und zu fremden Leuten gebracht worden.
    Doch es hätte durchaus so sein können. Das wusste er, und er vergaß es nie. Es hätte passieren können. So sicher er sich fühlte, ganz sicher war er nie und würde es nicht sein, und genau das empfand er auch jetzt, während er durch die sauberen, leeren Räume eines Hauses bei Dämmerlicht wanderte, in dem zwar alles da, aber ziemlich gespenstisch war, und Charlie und Sylvan waren irgendwo, aber er brauchte Charlie jetzt und sofort, und er musste nach Hause.

    Und so tat er etwas, was er nie getan und wozu man ihn nie aufgefordert hatte. Er stieg in den zweiten Stock hinauf und blickte den Flur mit dem sauberen Teppich und den vier geschlossenen Türen entlang, und dann öffnete er eine nach der anderen, und jede der Türen öffnete sich zu einem sauberen, unbewohnten, leeren Zimmer, alle bis auf die letzte, die er natürlich auch aufmachte, weil er sich sicher war, dass er dahinter die gleiche saubere Leere vorfinden würde, aber das war nicht so. Hier fand er etwas anderes vor. Er fand sie.
    Es war der einzige Raum, in dem Licht brannte, das schummrige Licht einer Lampe, die aus der bemalten Gestalt einer japanischen Dame in einem fließenden, bedruckten Kleid bestand, das ihr bis zu den Füßen reichte. Der seidene Lampenschirm war wie ein Hut über ihrem üppigen, schwarzen Haar, und als er diese Lampe sah, wusste er, dass er sie nie vergessen würde, und er sah, dass das Licht der Lampe auf die riesige Hautfläche von zwei Erwachsenen schien, eines Mannes und einer Frau, von Charlie und Sylvan, die nichts anhatten, die einzigen Erwachsenen, die er jemals nackt gesehen hatte, und er wusste, auch das würde er nie vergessen.
    Charlie lag auf ihr, das Gesicht an ihren Hals geschmiegt, und die Haut seines Rückens glänzte vor Schweiß, jeder Muskel war angespannt, sein Hals, seine Schultern, sein Rücken, alles war straff und stark und hatte die Farbe einer Rose, einer pudrig roten Rose, und da waren Haare unter seinen Armen, die dunkel und schweißverklebt waren, und seine Unterarme waren stark und glatt, und auch seine Hände waren stark und fest, obwohl sie mit solcher Zärtlichkeit auf ihrer Haut lagen und sie kaum berührten. Er lag auf ihr, Haut an Haut, und schien doch zu schweben, und dabei krümmte und entspannte er sich, wieder und wieder,
wie eine Armbrust, und bedeckte sie vollständig, ohne sie auch nur ein bisschen zu berühren.
    Sie lag ganz still da, wie ein Teich bei Sonnenuntergang, und ebenso bleich. Ihr Gesicht war ihm zugewandt, die Augen geschlossen, ein Lächeln spielte auf ihrem Gesicht, die Haare wie ein leuchtend gelber Fächer im Licht der japanischen Lampe. Der weiche, seidene Lampenschirm war golden eingefasst, die gleiche Farbe wie ihr Haar. Ihre Augen waren schwarze Schlitze, wie bei der japanischen Dame, und obwohl sie hier war, hier in diesem Raum, in dem Bett auf dem zerwühlten Bettzeug, schien sie so weit weg zu sein, als wäre sie von innen nach außen gekehrt, als hätte sich Sam erneut in seinem Bett gedreht, irgendwann vorher, vor dieser Zeit, die doch die einzige Zeit war, die existierte.
    Ihre weiße, weiße Haut war so dünn wie die Seide des Lampenschirms. Er konnte ihre Venen sehen, die durch die Haut schimmerten, und alles an ihr war weich, ohne Muskeln, denn wie sollte sie sich auch bewegen, so bedeckt wie sie war, obwohl sie den Rücken krümmte und ihn Charlie entgegenreckte, um dann wieder in die weißen Laken zurückzufallen.
    Sam wusste nicht, was er damit anfangen sollte; er wusste nicht, was da vor sich ging, ob er Zeuge einer Zärtlichkeit oder von Gewalt wurde, so fein war die Trennlinie, doch er wusste, dass er sich nicht bewegen durfte, es nicht konnte. Was auch immer geschah, es geschah nur den beiden, es geschah auf ihrer Haut und in ihren Körpern.
    Die Geräusche, die sie machten, waren kein Sprechen, und doch sagten sie etwas, nicht zueinander, sondern jeder sprach mit sich selbst, nicht mit Worten, sondern mit Geräuschen, die Sam nie gehört hatte, und auch ihre Körper,

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