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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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geschlossenen Augenlider, um das Feuerwerk zu beobachten, das sich dann im Dunkeln entfaltete, doch irgendwann verfiel er doch in Schlaf, flog zusammen mit Captain America durch die bunt schimmernde Dunkelheit, und als er dann wieder erwachte, war es ein freudiges Erwachen, denn als er an diesem Morgen, seinem sechsten Geburtstag, nach draußen lief, hatte er über zweitausend Tage auf dieser Erde verbracht, allesamt auf den Straßen derselben Stadt, und alles würde wundervoll werden, denn er war auf dem Weg zu Charlie Beale.
    Alles ist anders, wenn ein Junge Geburtstag hat. Jeder einzelne Moment ist wie von innen erleuchtet, erfüllt von dem Gedanken, dass jede Geste, jedes Wort eine Geste oder ein
Wort sind, die mit dem Geburtstag zu tun haben. An deinem Geburtstag wissen die Leute, wer du bist.
    Beim Frühstück sagte seine Mutter ein Sprüchlein auf: »Jetzt bin ich sechs und schlauer denn je/Drum bleib ich es ewig, so wahr ich hier steh.« Und dann küsste sie ihn und sagte: »Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz«, während Will ihn mit verbundenen Augen auf die hintere Veranda führte, wo ein funkelnagelneues Fahrrad auf ihn wartete. Sein Geburtstag, sein Gedicht, sein Fahrrad.
    So rasch er konnte, lief er hinüber zu Charlie, denn er konnte es kaum erwarten zu erfahren, was die nächste Überraschung war. »Guten Morgen, Sam«, sagte Charlie. »Bist du bereit zum Graben?«
    Als sie hinaus zu Charlies Feld kamen, war es gerade einmal acht Uhr und bereits heiß, und da war auch die Geburtstagsüberraschung. Auf der Weide waren Hunderte von Kaugummis gesprossen, von den zarten Spitzen der Zweige, die im Wasser trieben, bis zu ihren höchsten Ästen. Ein Kaugummibaum war gewachsen, einfach so, über Nacht. Und Sam wusste, dass jedes Kaugummi einen Penny kostete, weshalb er voller Ehrfurcht auf dieses kleine Vermögen von Kaugummis schaute, die aus einem einzigen Kaugummi, das sie erst gestern gepflanzt hatten, in nur einer Nacht gewachsen war. Er pflückte und pflückte, füllte seine Taschen, doch da war immer noch mehr, hoch oben im Baum, Hunderte von Päckchen, an die er nicht herankam, ein jedes mit einem Kaugummi drin, dazu einem Zettel mit einem Witz oder einem Gutschein für eine kleine Pfeife.
    »Sam«, sagte Charlie, um ihn zu bremsen. »Sam. Du hast das ganze Leben noch vor dir. Dieser Kaugummibaum ist für immer da. Immer nur ein Stück auf einmal. Nur eins. Da hast du lange dran. Später ernten wir sie alle und legen
sie in ein geheimes Versteck. Okay? Heute hast du Geburtstag, Sam, und vor dir liegt ein Leben mit jeder Menge Kaugummi. Stell dir das mal vor.«
    Sam legte die Arme um Charlies Hals, mit vollgestopften Backen, und blieb einfach so, roch den Morgen, roch Charlies Seife, den Fluss, seinen Geburtstag.
    Dann ging Charlie mit ihm zum Pick-up und gab ihm noch ein Geschenk: seinen ersten Baseball-Handschuh, einen Wilson, ganz steif und hart, der noch zu groß für Sam war und in den er erst noch hineinwachsen musste. Charlie sagte, abends würden sie Baumwollsamenöl in den Handschuh geben, ihn damit einreiben, und davon würde er irgendwann ganz weich werden und ganz genau auf seine Hand passen, die dann größer war. Dann würde der Handschuh sitzen wie eine zweite Haut. Sam fühlte sich wie im Himmel. Als wäre er gestorben und in den Himmel gekommen.
    »Und jetzt graben wir die Grube für die Schweinchen, mein Sohn«, sagte Charlie und nahm sanft die Arme des Jungen von seinem Hals. »Hol dir eine Schaufel aus dem Pick-up.« Sam half ihm eine Stunde und ging dann mit seinem neuen Handschuh am Fluss spazieren, warf immer wieder den Ball hoch und ließ ihn an der straffen, neuen Oberfläche des Handschuhs abprallen, der so wunderbar roch, während Charlie weitere drei Stunden schuftete, um die Grube auszuheben, bis das Loch einen Meter breit und anderthalb Meter tief war, die Ausmaße eines Kindergrabes.
    Als die Grube ausgehoben war, füllten sie sie mit Kienspänen und Holzscheiten und machten ein Feuer, das rasch so hell und heiß brannte, dass man sich nur bis auf anderthalb Meter nähern konnte, so heiß, dass ein Scheit wie eine Schlange zischte, wenn man ihn hineinwarf, knallte wie ein Feuerwerk im Sommer und dann sofort lichterloh brannte.
Als das Feuer ordentlich loderte und Charlie einen gewaltigen Stapel Holz aufgeschichtet hatte, fuhren sie zur Metzgerei zurück, um die Schweinchen zu holen, die im Kühlraum lagen und in einer Salzlake geruht hatten. Charlie wusste nicht genau,

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