Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
mit Herz« Schilde seien. Es gab etwas in meinem Leben, das ich tun wollte, etwas sehr Forderndes und Interessantes, das mich mit tiefem Frieden und Freude erfüllte. Ich wußte, der Verbündete konnte mich nicht überwältigen. Ich drehte den Kopf mühelos zur Seite, bevor ich sein Gesicht ganz sehen konnte. Ich begann wieder all die anderen Geräusche zu hören; sie wurden plötzlich sehr laut und schrill, als wären sie tatsächlich böse auf mich. Sie verloren ihre Muster und verwandelten sich in ein amorphes Konglomerat scharfer, quälender Schreie. Meine Ohren begannen unter diesem Druck zu dröhnen. Ich glaubte, mein Kopf werde gleich explodieren. Ich stand auf und legte die Hände über die Augen. Don Juan half mir, an ein schmales Rinnsal zu gehen, hieß mich die Kleider ausziehen und rollte mich im Wasser hin und her. Er ließ mich im fast trockenen Bachbett liegen, schöpfte Wasser in seinen Hut und begoß mich damit. Der Druck in meinen Ohren ließ auf der Stelle nach, und es dauerte nur wenige Minuten, mich zu »waschen«. Don Juan sah mich an, schüttelte beifällig den Kopf und sagte, ich hätte mich in kürzester Zeit »gefestigt«.
Ich zog mich an und er führte mich an die Stelle zurück, wo ich gesessen hatte. Ich fühlte mich äußerst kräftig, schwungvoll und klar im Kopf.
Er wollte alle Einzelheiten meiner Vision hören. Er sagte, daß die Zauberer die Löcher in den Geräuschen benutzten, um bestimmte Dinge herauszufinden. Der Verbündete eines Zauberers pflege komplizierte Angelegenheiten durch die Löcher in den Klängen zu offenbaren. Er weigerte sich, genaueres über die Löcher zu sagen und schob meine Fragen beiseite, denn eine solche Information könne mir, da ich keinen Verbündeten hatte, nur schaden.
»Alles ist von Bedeutung für einen Zauberer«, sagte er. »Die Geräusche haben Löcher, wie auch alles andere um dich her. Normalerweise hat ein Mann nicht die Schnelligkeit, um die Löcher zu erfassen, und so geht er ohne Schutz durchs Leben. Die Würmer, die Vögel, die Bäume — sie alle könnten unvorstellbare Dinge erzählen, wenn man die Schnelligkeit hätte, ihre Botschaft aufzufangen. Der Rauch kann uns diese schnelle Auffassungsgabe verleihen. Aber wir müssen mit allen lebendigen Dingen dieser Welt auf gutem Fuß stehen. Darum auch sprechen wir zu den Pflanzen, wenn wir im Begriff stehen, sie zu töten, und entschuldigen uns dafür, daß wir sie verletzen. Dasselbe muß mit den Tieren geschehen, wenn wir sie jagen wollen. Wir sollten nur so viel nehmen, wie wir brauchen, sonst würden sich die Pflanzen, die Tiere und Würmer, die wir töten, gegen uns wenden und uns Krankheit und Unglück bringen. Ein Krieger ist sich all dessen bewußt und bemüht sich, sie zu beschwichtigen, daher geben ihm, wenn er durch die Löcher späht, die Bäume und die Vögel und die Würmer wahrhafte Botschaften.
Aber all das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist, daß du einen Verbündeten gesehen hast. Darum geht es. Ich habe dir gesagt, daß wir etwas jagen würden. Ich glaubte, es werde ein Tier sein. Ich nahm an, du würdest das Tier sehen, das wir jagen müssen. Ich selbst habe ein Wildschwein gesehen, mein Geisterfänger ist ein Wildschwein.«
»Meinst du damit, daß dein Geisterfänger aus einem Wildschwein gemacht ist?«
»Nein! Nichts im Leben eines Zauberers ist aus irgend etwas gemacht. Wenn etwas überhaupt etwas ist, dann ist es das Ding selbst. Wenn du Wildschweine kennen würdest, dann wüßtest du, daß mein Geisterfänger eines ist.«
»Warum sind wir hierher gekommen, um zu jagen?«
»Der Verbündete zeigte dir einen Geisterfänger, den er aus seinem Beutel nahm. Du brauchst dringend einen, wenn du ihn rufen willst.«
»Was ist ein Geisterfänger?«
»Es ist eine Faser. Mit ihr kann ich die Verbündeten oder meinen eigenen Verbündeten rufen, oder ich kann die Geister der Wasserlöcher, die Geister der Flüsse, die Geister der Berge anrufen. Meiner ist ein Wildschwein und schreit wie ein Wildschwein. Du hast zweimal erlebt, wie ich ihn benutzte, um den Geist des Wasserloches zu rufen, damit er dir helfe. Der Geist kam zu dir, wie der Verbündete heute zu dir kam. Du konntest ihn aber nicht sehen, weil du nicht die Schnelligkeit hattest. Damals jedoch, als ich dich in die Schlucht brachte und dich auf einen Felsen legte, wußtest du, daß der Geist beinah über dir war, ohne daß du ihn wirklich gesehen hast. Diese Geister sind Helfer. Es ist schwer, mit ihnen umzugehen,
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