Eine begehrenswerte Lady
denen der Mann sich sonst bekanntermaßen widmete. Es war nicht zu übersehen, dass Stanley nicht der abgebrühte Lebemann war, aus denen sich gemeinhin Canfields Freundeskreis zusammensetzte. High Tower war kein Ort, den Canfield freiwillig aufsuchen würde. Warum also war er hier?
Die Spekulationen für den Augenblick beiseiteschiebend, lehnte er höflich eine Einladung zum Abendessen ab und verabschiedete sich von den Ordways. Während sein Pferd durch das Zwielicht nach Ramstone Manor trottete, kehrte er in Gedanken zum Nachmittag zurück. Er müsste eigentlich zufrieden sein, aber, räumte er ein, für einen Mann, der nicht mehr als eine unverbindliche kleine Affäre im Sinn hatte, lag ihm bei Weitem zu viel an Gillian Dashwoods Meinung über sein neues Zuhause.
Es hätte ihm egal sein sollen, ob ihr Ramstone gefiel oder nicht, aber auf eine unangenehm nachdrückliche Weise war das nicht der Fall. Und wenn er Ramstone mit dem Hintergedanken erstanden hatte, dass das Anwesen als Treffpunkt für ein intimes Rendezvous mit der Dame geeignet wäre, hatte er sich gründlich geirrt. Ramstone Manor war nun sein Zuhause, kein Liebesnest abseits von neugierigen Augen. Mon Dieu! Was, wenn seine Schwägerin zu einem Besuch kam, während er Mrs. Dashwood … unterhielt?
Luc war bestimmt kein Puritaner, aber die Vorstellung, mit Gillian auf Ramstone ins Bett zu gehen, schien ihm nicht richtig. Ramstone Manor war respektabel. Er lächelte leicht. Seine Pläne für die liebreizende kleine Witwe waren das nicht. Dann war da noch ihre Verwandtschaft mit Silas. Wollte er wirklich eine Affäre mit der Nichte seines Freundes anfangen?
Luc rutschte rastlos im Sattel herum. Gillian zu seiner Mätresse zu machen schien ihm eine armselige Art und Weise, Silas seine Freundschaft zu vergelten. Aber wie eine Sirene lockte ihn etwas an Gillian … Er erinnerte sich an den sinnlichen Schwung ihrer Hüften, als sie über den Gartenweg vor ihm ging, das Funkeln in ihren Topasaugen und ihre weichen Lippen, die sie leicht öffnete, wenn sie ihn anschaute – was das vorhersehbare Ergebnis zeitigte. Unverzüglich wurde er hart, war schmerzlich erregt. Es wurde ihm zu seiner Erbitterung klar, dass er sein Verlangen nach ihr vermutlich nicht würde stillen können.
Lautlos fluchend, trieb er sein Pferd zum Galopp an. Diantre! Die Kleine setzte ihm ganz schön zu und brachte ihn in die Zwickmühle. War das Verlangen nach ihr so heftig, dass er die Loyalität und Freundschaft einfach beiseiteschieben konnte, die ihn mit Silas verbanden? Und er durfte auch nicht vergessen, dass sie ihren Ehemann ermordet haben konnte, rief er sich grimmig in Erinnerung.
Instinktiv wehrte er sich gegen die Vorstellung, dass Gillian eine Mörderin sein könnte, aber er konnte es auch nicht einfach abtun. Ihr Ehemann war umgebracht worden, und sie war neben seinem Leichnam gefunden worden, inmitten der Spuren eines schlimmen Kampfes. Lucs Verlangen kühlte sich ab, und in seine Augen trat ein unnachgiebiger Ausdruck. Vielleicht hatte sie ihren Ehemann verhext, verrückt gemacht vor Verlangen … bis sie ihn getötet hatte.
So kam es, dass Luc alles andere als glücklich und unbekümmert nach Ramstone Manor heimkehrte. Nachdem er Bertram und Alice für ihre Bemühungen gedankt hatte, zog er sich in seine Bibliothek zurück. Die Bibliothek, die Gillian so gut gefallen hatte, dachte er verstimmt.
Mit gerunzelter Stirn ging er zu einer Mahagonikommode und nahm sich eine Karaffe von dem Tablett mit Spirituosen sowie ein bauchiges Glas, in das er sich Brandy einschenkte. Damit in der Hand lief er im Zimmer auf und ab.
Was sollte er wegen Gillian Dashwood unternehmen? Wenn der Kuss im Garten von High Tower etwas zu sagen hatte, dann war ihr Leidenschaft nicht fremd. Sie war auch, ermahnte er sich, nachdem er einen Schluck von dem Brandy genommen hatte, keine Jungfrau mehr. Schließlich war sie verheiratet gewesen. Und jetzt Witwe. Er verzog das Gesicht. Ihr Ehemann war umgebracht worden – durch ihre Hand, glaubten manche. Und dann war da noch Silas …
Verstimmt starrte er in die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas. Das Klügste wäre es, sie zu vergessen. Sie sich aus dem Kopf zu schlagen und sich einfach nicht mehr vorzustellen, wie es wäre, sie unter sich zu haben. Seine Lippen zuckten. Die Frage war nur: Konnte er das? Sie würde in High Tower leben, und jedes Mal, wenn er Silas besuchte, würde er sie sehen. Er war nie gut darin gewesen, einer
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