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Eine Braut für alle

Eine Braut für alle

Titel: Eine Braut für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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nach sollte man ein Gesetz einbringen, wonach nichtpraktizierende Ärzte vom Ärzteregister zu streichen sind.»
    «Dafür besteht nicht viel Hoffnung», sagte ich. «Das Unterhaus ist voll von ihnen.»
    Daraufhin erhob er sich und erklärte mißgestimmt, daß er zu Bett gehe. Ich blieb zurück und leerte spaßeshalber den Rest seiner Whiskyflasche.

18

    «Dr. Grimsdyke», eröffnete mir die hübsche kleine Empfangsdame, «dieser Mann benimmt sich schon wieder im Wartezimmer sonderbar.»
    «Großer Gott!» Ich blickte von der Autorubrik des British Medical Journal auf. «Doch nicht wieder der, der Gesichter schneidet -?»
    Sie nickte. «Ich fürchte, sein Zustand hat sich verschlimmert. Diesmal scheint er seinem Hut Liebeserklärungen zu machen.»
    Ich erhob mich ungestüm vom Chippendale-Schreibtisch.
    «Oh, wirklich? Na schön - führen Sie den Unglücksmenschen herein. Nein, warten Sie einen Augenblick - entfernen Sie zuerst die Skalpelle aus dem Operationsbesteck.»
    Etliche Monate waren vergangen, der Frühling angekurbelt, die
    Parks mit frischen bunten Blumen, die Mädchen mit frischen bunten Kleidern bedeckt, und ich in Razzy Potter-Phipps’ Ordination in Mayfair zurückgekehrt.
    Es waren recht jämmerliche Monate gewesen, die ich, nach jener Auseinandersetzung mit Miles, in einer scheußlichen Kellerwohnung in Paddington verbrachte. In nächster Zeit etwas von Sir Lancelots Prozeß zu erfahren hatte ich nicht erwartet, wohl wissend, daß das Räderwerk einer alten Standuhr, verglichen mit dem Räderwerk der Gerechtigkeit, noch immer als ein hochmodernes Getriebe gelten kann; so setzte ich mich in Ruhe an meinen großen Roman.
    Aber das Schreiben eines Romans ist, wie das Einrichten eines Knochenbruches, viel kniffliger, als man’s nach dem Ergebnis annimmt. Ob nun die unterirdische Atmosphäre daran Schuld trug oder das eklige Wetter, ob die Nachwirkungen von Sir Lancelots geballter Reden oder all diese Eisenbahnzüge, die kreischend verschoben wurden - über das Spielen mit den interessanten kleinen Schrauben und Hebeln, die da und dort an der Schreibmaschine herausragen, kam ich nicht hinaus. Bittere Not setzte ein. Ich trug Opas Manschettenknöpfe ins Versatzamt, meinen lieben alten Bentley, Modell 1930, hatte ich schon lang vorher verschachert. Ein recht unansehnlich gewordener Grimsdyke entging aufs knappste dem Hungertod durch eine Kost von weißen Bohnen und schwachem Tee. Mehr als einmal war ich versucht, mich bei Miles zum Essen einzuladen, demütig Abbitte zu leisten und diesen Posten in Tooting anzunehmen. Aber ich widerstand der Versuchung. Ich hielt mir vor Augen, daß Dostojewskij erst nach fünf Jahren in Sibirien wahrhafte dichterische Größe erreichte.
    Auf einem Spaziergang in der ersten Aprilwärme, den ich unternahm, um meinen Mut und den Vitamin-D-Spiegel zu heben, sah ich Razzys Stadt-Jaguar, vor einem Wohnblock in Berkeley Square geparkt, im Sonnenschein funkeln. Einen Augenblick später entstieg er ihm selbst eilends, gefolgt von einem Chauffeur mit jenem Spezial-Vibrationsapparat, den er zum Zurechtschütteln schwerfällig gewordener Millionäre verwendete.
    «Welch ein Glücksfall, dich zu treffen, lieber Junge!» rief Razzy sogleich. «Ich dachte, du seist meilenweit entfernt auf hoher See. Und wie prächtig schlank du bist! Muß wirklich Zusehen, daß ich auch etwas Gewicht verliere. Zigarette gefällig?»
    Dankbar bediente ich mich.
    «Wäre es möglich», fragte er nach einem leichten Geplauder über die Aussichten der Rennsaison, «daß du soviel Zeit fändest, dann und wann nachmittags für mich die Festung zu halten?»
    «Ich fürchte, für ernsthafte Medizin bin ich schon ein bißchen eingerostet», sagte ich zweifelnd.
    «Lieber Junge, die Medizin ist das letzte, das in meiner Praxis ernsthaft zu nennen wäre. Schließlich kannst du für solche Fälle immer noch einen Spezialisten zuziehen. Die Patienten sind’s, die einem zu schaffen machen. Vielleicht hast du in der Presse über diese italienische Primadonna gelesen, deren nervöses Temperament ich behandelt habe?»
    Ich nickte. «Du willst also die Nachmittage frei haben, um dich in Covent Garden herumzutreiben und sie vor der Vorstellung zu beruhigen?»
    Razzy hüstelte. «Nicht ganz, lieber Junge. Es ist weitaus einfacher, ihre Behandlung nach der Vorstellung in der Nacht vorzunehmen. Aber ich fürchte... na ja, diese Behandlung setzt meinen Kräften so sehr zu, daß ich bisweilen dringendst ein paar Stunden

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