Eine Braut muss her!
Hinsicht Richard ähnlicher war, als er bisher angenommen hatte.
Er hatte sich eine Aufgabe gestellt, die er nun nach besten Kräften zu lösen gedachte. Falls er Glück hatte, erfuhr sein Vater erst von seiner Eigenmächtigkeit, wenn die Angelegenheit bereits geklärt war.
8. KAPITEL
Nach stundenlanger Überprüfung der Bücher war Russell abgespannt. Er hatte feststellen müssen, dass er noch immer nicht genau wusste, ob das Gut eine gesunde finanzielle Grundlage hatte oder nicht. Mehr und mehr hatte er erkannt, dass die von den Shaws eingereichten Abrechnungen gefälscht waren, offenbar in der Annahme, nicht sein Vater, sondern dessen Sekretär würde sich mit den Unterlagen befassen.
Erstaunlich an dem Vorgang war, dass weder dem Vater noch Mr Graves die Diskrepanzen zwischen dem Stand des Kontos, auf das die Gewinne aus Eddington Court flossen, und den als Jahreseinnahmen deklarierten Beträgen aufgefallen waren. Russell nahm sich vor, das in Ancoates ansässige Bankhaus aufzusuchen, und schmunzelte flüchtig bei dem Gedanken, dass er bei dieser Gelegenheit auch Mary die Aufwartung machen konnte.
Der Verdacht, dass es bei der Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben nicht mit rechten Dingen zugegangen war, hatte sich bewahrheitet. Es war unübersehbar, dass die Shaws systematisch in die eigene Tasche gewirtschaftet hatten. Russell war sehr zufrieden, das jetzt belegen zu können.
Gähnend beschloss er, zu Bett zu gehen, und stand auf. Er verließ den Raum, schloss ihn ab und steckte den Schlüssel ein. Dann suchte er das Zimmer auf, das man für ihn hergerichtet hatte.
Sobald sein Kammerdiener gegangen war, begab Russell sich ins angrenzende Schlafzimmer und setzte sich, weil er durch die intensive Beschäftigung mit den Zahlen geistig noch viel zu rege war, in einen Sessel, hoffend, bald hinreichend müde zu sein, um Schlaf zu finden.
Unwillkürlich kam ihm Mary in den Sinn und der Tag, an dem er sich in Oxford von ihr verabschiedet hatte.
Glücklich verliebt hatte er die Stadt verlassen und die Fahrt nach Haus angetreten. Bei der Ankunft war er jedoch so frostig vom Vater begrüßt worden, dass es ihm ratsamer erschienen war, ihn vorläufig nicht mit seinem Heiratswunsch zu behelligen. Da von Mary kein Lebenszeichen eingetroffen, auf seine drei an sie gerichteten Briefe keine Antwort eingegangen und im Verhalten des Vaters keine Veränderung zum Besseren festzustellen gewesen war, hatte er ihn schließlich gebeten, in einer wichtigen persönlichen Angelegenheit mit ihm sprechen zu dürfen.
Unwirsch hatte der Vater sich erkundigt, was es so Dringendes gäbe.
Russell hatte ihm von Dr. Beauregard und dessen Tochter erzählt, beide im besten Licht geschildert und hinzugefügt, er habe sich in Miss Mary verliebt und wolle sie heiraten.
“So ein Unsinn!” hatte der Vater verächtlich erwidert. “Ich habe Besseres für dich im Sinn, Russell, als die Tochter eines gelehrten Habenichts.”
“Mr Beauregard ist nicht arm!” hatte Russell entrüstet entgegnet.
“Nach meinen Wertmaßstäben ist er das!” hatte der Vater widersprochen. “Vergiss die Sache! Das ist nichts weiter als jugendliche Schwärmerei. Werde erwachsen und stoß dir die Hörner ab, ehe du wieder von Heirat sprichst.”
“Ich werde nicht anderen Sinnes werden, Vater!” hatte Russell heftig geäußert. “Miss Beauregard entspricht in jeder Hinsicht meinen Vorstellungen von meiner zukünftigen Gattin. Sie ist nicht nur schön, sondern auch klug, gebildet und tadellos erzogen. Mit ihr …”
“Ach, langweile mich nicht mit solch dummem Geschwätz”, war der Vater ihm ins Wort gefallen. “Du hast keine Ahnung, welche Voraussetzungen deine zukünftige Frau erfüllen muss. Ich bin äußerst befremdet darüber, dass Dr. Beauregard seiner Tochter erlaubt hat, mit dir über solche Dinge zu sprechen. Das letzte Wort in dieser Sache habe ohnehin ich, und ich verlange, dass du dich meinen Wünschen beugst! Natürlich wirst du nicht nach Oxford zurückkehren. Mehr habe ich zu diesem Thema nicht zu sagen. Du darfst dich entfernen, Russell!”
Wütend hatte Russell die Bibliothek verlassen und überlegt, wie er den Vater umstimmen könne. Der richtige Weg war seiner Meinung nach gewesen, seiner Angebeteten zu schreiben und sie zu bitten, mit ihrem Vater zu ihm zu kommen, denn für ihn hatte kein Zweifel daran bestanden, dass sein Vater seinen Standpunkt ändern werde, sobald er Mary kennenlernte und selbst einsah, wie gut die Wahl seines
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