Eine Braut von stuermischer Natur
der Magen vor lauter Hunger, aber davon will Clement nichts wissen. Wir dürfen nicht einmal von der Suppe kosten. Er beteuert, dass er sie einzig für Mylady zubereitet hat.« Er schenkte ihr ein Lächeln, ehe er hinzusetzte: »Ich glaube, Clement schätzt Euch.«
Murie hob zweifelnd die Augenbrauen. Der Koch war stets kurz angebunden und schlecht gelaunt. Sie konnte sich schwer vorstellen, dass er jemanden schätzen könnte, dennoch forschte sie: »Was macht dich da so sicher, Thibault? Dass er Hühnersuppe gekocht hat?«
»Nein. Weil er es selbst einräumte«, erklärte Thibault. »Als seine Lordschaft von Euren Verbesserungsvorschlägen für die Küche erfuhr und dass Ihr unberechtigterweise die Petersilie ausgerissen hattet, fragte er Clement, warum er das billige. Er würde doch sonst bei der kleinsten Kleinigkeit aus der Haut fahren, selbst wenn der alte Lord Gaynor – Gott hab ihn selig – ihm mit Anregungen gekommen sei. Daraufhin erhielt er als Antwort: ›Weil ich Eure Gemahlin schätze, Mylord‹.
Mit Verlaub, Mylady, er hatte nie viel übrig für Lord Balans Vater. Er nahm es ihm übel, dass er unsere Juliana derart vernachlässigte. Unser Koch hat nämlich ein weiches Herz. Raue Schale, weicher Kern. Ich habe des Öfteren beobachtet, wie er draußen im Garten die Vögel füttert und die Eichhörnchen. Er ist bei Weitem gütiger, als er uns glauben machen will.«
»Das ist er beileibe nicht«, schnaubte Clement hinter ihnen. Die beiden zuckten ertappt zusammen und ließen ihre Köpfe zu ihm herumschnellen. Der Koch funkelte Thibault ungnädig an, ehe er nachschob: »Ich schätze Vögel und Eichhörnchen eben mehr als Menschen.«
Murie empfand Mitgefühl für Thibault, der betroffen seine Mundwinkel hängen ließ, und setzte sich aufrecht, denn der Koch wandte sich ihr zu.
»Eure Suppe, Mylady.« Er stellte einen ausgehöhlten Brotkanten mit einer dampfend heißen Flüssigkeit vor Murie auf den Tisch. »Später am Tag wird sie gewiss noch kräftiger und schmackhafter, dennoch bitte ich Euch, sie bis auf den letzten Tropfen auszulöffeln. Das wird Euch guttun. Estrelda bringt Euch gleich das Bier.«
»Hab Dank.« Murie sog den Geruch der Suppe ein. »Es duftet köstlich.«
Clement nickte knapp, dann drehte er sich um und trat im Stechschritt den Rückweg in die Küche an, seine Haltung steif wie die eines Soldaten.
Sobald er durch die Küchentür verschwunden war, blickte Murie abermals zu Thibault. Sie tätschelte ihm ermutigend die Hand. »Ich bin sicher, dass es sich so verhält, wie du es gesagt hast. Er ist gewiss weichherziger, als er einräumen mag.«
»Ganz recht.« Thibaults Miene hellte sich auf. »Habt Ihr das eben auch gesehen? Er hat sich ein stolzes Grinsen versagt, als Ihr den Duft der Suppe gelobt habt.«
Muries kicherte leise.
»Seht es mir nach, Mylady, aber ich muss mich wieder meinen Pflichten widmen.« Er erhob sich, als Estrelda mit einem Krug Bier aus der Küche gelaufen kam. »Selbst mit mehr Dienstboten bleibt stets Arbeit liegen. Lasst Euch die Suppe schmecken.«
Murie bedankte sich bei ihm und bei Estrelda, die ihr den gefüllten Bierkrug hinschob. Dann widmete sie sich der Suppe. Auch wenn Clement beteuerte, das Hühnchen müsse noch eine Zeit lang köcheln, damit sich der volle Geschmack entfalte, war es die köstlichste Suppe, die sie seit Langem gegessen hatte. Kräftig, durchsetzt mit Fleisch- und Gemüsestückchen, mehr ein sämiger Eintopf als eine Suppe. Murie löffelte sie hungrig aus, dann aß sie das Brot, in dem sich die Suppe befunden hatte. Nachdem sie den letzten Bissen vertilgt hatte, fühlte sie sich fast wie neugeboren. Nun galt es, etwas zu finden, womit sich die Zeit vertreiben ließ.
Suchend glitt ihr Blick durch die große Halle. Obwohl sie in den vergangenen zweieinhalb Tagen kräftig mit Hand angelegt hatte, gab es noch genügend zu tun. Allerdings ahnte sie, dass sie bei einigen Arbeiten Gefahr lief, ihr Gewand zu ruinieren. Und vermutlich war vieles zu beschwerlich für sie, aber sie fand bestimmt etwas, das ihr nicht allzu schwerfallen dürfte. Ein kleines Vorhaben, damit es in dem großen Saal angenehmer duftete und das Schutz vor bösen Omen bot.
Murie stand bedächtig auf und verharrte einen Augenblick, um sicherzugehen, dass sich Schwindel und Schwächegefühl nicht erneut einstellten. Als sie davon verschont blieb, bahnte sie sich den Weg zum Schlossportal.
Sie beschloss, einen kleinen Spaziergang durch das Wäldchen vor den Toren
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