Eine Braut von stuermischer Natur
restliches Gepäck in Gaynor eintrifft. Du bekommst es mit den anderen Dingen geschickt, sobald alles zusammen ist. Edward hat sich bereit erklärt, eine Eskorte Soldaten mitzuschicken, die den Transport bewachen soll.«
»Ich … danke Euch, Eure Majestät«, flüsterte Murie ehrerbietig. Insgeheim fragte sie sich, warum die Königin plötzlich so nett zu ihr war. Vermutlich nur, weil sie froh war, sie endlich loszuwerden.
»Murie.«
»Ja, Mylady?«, erwiderte sie zaghaft, nachdem die Diener mit zwei schweren Truhen abgezogen waren und sie allein mit der Königin zurückgeblieben war … einer Frau, die sich in den vergangenen zehn Jahren nie wirklich um sie gekümmert hatte.
Die Königin schloss die Tür hinter den Dienern und wandte sich Murie zu. »Bevor du abreist, möchte ich dir noch sagen, wie stolz ich auf dich bin.«
Murie blinzelte verblüfft. »Ihr … seid stolz auf mich ?«, fragte sie leise.
Königin Philippa nickte. »Ja, gewiss doch. Ich weiß, wie gemein und gehässig die jungen Mädchen hier zu dir waren, aber du hast nie auch nur eines von ihnen bei mir angeschwärzt. Du hast deine eigene Methode gefunden, um damit fertigzuwerden. Andere in deinem Alter wären gewiss dauernd zu mir gelaufen gekommen und hätten gepetzt. Du dagegen hast deine Schwierigkeiten allein und ohne fremde Hilfe gelöst.«
Sie durchquerte die Kammer, umschloss Muries Schultern und fuhr mit ernster Stimme fort: »Von allen Mädchen, die im Laufe der Jahre hier im Palast gelebt haben, bist du die Einzige, die ich ruhigen Gewissens ziehen lassen kann. Bei dir muss ich nicht befürchten, dass du in Situationen gerätst, denen du nicht gewachsen wärst. Nein, ich weiß, dass es dir gut gehen wird und du sämtliche Herausforderungen meistern wirst, die das Leben an dich stellen mag. Deswegen bin ich stolz auf dich.«
»Oh«, hauchte die junge Lady Gaynor und blinzelte die Tränen fort, die ihr unversehens in die Augen schossen. Sie wollte nicht weinen und sich vor der Monarchin der Lächerlichkeit preisgeben.
Die Königin lächelte wissend. Sie neigte sich zu Murie, gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Werde glücklich, Kind.«
Mit diesen Worten verließ sie das Gemach. Schweigend blickte ihr Murie nach und tastete mit einer Hand über ihre Wange, zu jener Stelle, wo die Königin sie eben geküsst hatte. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Philippas kurzes Bekenntnis ihrer Zuneigung warf ein gänzlich anderes Licht auf die letzten zehn Jahre ihres Lebens. Hätte ich das bloß eher gewusst, dachte Murie.
»Frau?«
Murie schnellte herum. Balan stand im Türrahmen und musterte sie fragend.
»Was ist geschehen?«, erkundigte er sich sichtlich besorgt. »Hast du geweint?«
»Nein«, sagte sie schnell und warf ihm ein strahlendes Lächeln zu, während sie zur Tür glitt. »Ich fühle mich fabelhaft, mein Gemahl.«
Er musterte sie einen kurzen Moment lang stumm, dann fasste er milde kopfschüttelnd ihre Hand, um Murie nach unten in den Saal zu geleiten. »Die Pferde stehen bereit, und der Wagen ist gepackt. Osgoode wartet unten auf uns. Reginald und Emilie stoßen bei den Stallungen zu uns.«
»Ja, Mylord«, sagte Murie abwesend. Eilig durchquerten sie die prunkvollen Säle. Muries Augen schweiften über kostbare Möbel, Gobelins und Gemälde. Dieser Palast war zehn Jahre lang ihre Heimat gewesen. Sie war froh, dass sie dieses Kapitel hinter sich lassen durfte, aber auch ein wenig traurig. Eigenartig, wie es zu dieser Wehmut kam. Zumal ihr in diesen Mauern so häufig übel mitgespielt worden war. Und trotzdem …
Vielleicht lag es daran, dass dieser Aufbruch das Ende ihrer Kindheit einläutete und den Beginn einer neuen Lebensphase. Auf dem Weg zu den Stallungen grübelte sie darüber nach.
»Wir sind abfahrbereit!«, rief Osgoode ihnen zu, als sie den Wagen und die kleine Eskorte bewaffneter Männer erreichten, die bereits im Sattel saßen.
Murie blickte sich neugierig um. Sie entdeckte ihre und Emilies Truhen auf dem Wagen. Damit sie nicht verrutschten, hatten die Diener Felle in die Ritzen und Luken gestopft. »Wo bleiben Emilie und Reginald denn so lange? Ich war der Ansicht, sie würden uns hier erwarten«, rief sie aus.
»Ja. Sie sollten gleich hier sein, aber ich …« Balan stockte abrupt und drehte den Kopf nach links. Er griff sich unwillkürlich an die Nase und begann zu schniefen, als kämpfte er gegen ein Niesen an.
Ihre Augen schreckgeweitet, hob Murie ihre Hand, umschloss seine linke Wange und drehte ihm das
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