Eine Braut von stuermischer Natur
auf keinen Fall, dass wir Freundinnen werden. Und wenn du mich besser kennst, möchtest du auch nicht mehr meine Freundin werden.«
»Oh, da täuschst du dich aber«, versicherte Murie ihr unbeschwert. Sie griff nach den Leinenlaken, die sie zuvor auf die Truhe gelegt hatte. »Ich mag dich schon jetzt sehr gern.«
Ein kurzer Seitenblick bestätigte ihr, dass das Mädchen unsicher dreinblickte.
»Und warum?«, fragte Juliana argwöhnisch.
»Weil du mich an mich selbst erinnerst, als ich in deinem Alter war.«
Angesichts dieses Eingeständnisses weiteten sich die Augen des Mädchens ungläubig.
Bevor Juliana ihre Zweifel in Worte zu kleiden vermochte, verkündete Murie: »Ich wurde auch mit zehn Jahren zur Waise.«
Als das Mädchen schwieg, fuhr Murie fort: »Meine Mutter erkrankte an den Blattern.«
»Blattern?«, wiederholte Juliana verständnislos.
»Ganz recht.« Murie trug die Leinenlaken zum Bett. »Die Hausangestellten hatten Angst, sich anzustecken, deshalb haben sie meine Mutter sträflich vernachlässigt und nur das Nötigste getan. Als mein Vater dies bemerkte, übernahm er ihre Pflege; er versuchte, sie zu füttern, er säuberte ihre Wunden und badete sie, um das Fieber zu senken. Er wich Tag und Nacht nicht von ihrer Seite, er aß nicht mehr und schlief nicht mehr. Als sie starb, war er ebenfalls erkrankt und zu geschwächt und erschöpft, um gegen die Krankheit anzukämpfen. Er starb kurz nach ihr.«
»Mein Vater hat meine Mutter ebenfalls gepflegt«, sagte Juliana leise. Unwillkürlich griff sie nach dem Leinenzipfel, den Murie ihr hinhielt. »Sie litt an Wochenbettfieber, aber ich glaube nicht, dass Männer das bekommen können.«
»Nein«, bestätigte Murie.
»Und dann bist du an den Königshof gekommen«, führte Juliana aus, ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Es wird behauptet, dass der König dich verwöhnt und verzogen habe.«
»Was du sagst, stimmt. Ich wurde an den Königshof geschickt, um dort bei meinem Patenonkel, König Edward, zu leben. Und es stimmt auch, dass behauptet wird, er hätte mich verzogen. Die Wahrheit ist jedoch, dass Seine Majestät stets sehr beschäftigt ist und kaum Zeit für mich hatte«, räumte Murie ein. Zwar hatte der König sie und seine eigenen Kinder maßlos verwöhnt, wenn er bei Hofe weilte, war aber bis zum Ausbruch der Pest nur äußerst selten dort gewesen. Für gewöhnlich hatte er Militärmissionen in Schottland oder Frankreich angeführt. Murie konnte an den Fingern einer Hand abzählen, wie viele Male sie ihn in ihren ersten fünf Jahren in Windsor gesehen hatte.
»Und die Königin?«, warf Habbie ein und erinnerte Murie daran, dass die Männer weiterhin zugegen waren. Das kümmerte sie jedoch nicht weiter. Der Stallmeister hatte die Frage an sie gerichtet, sein Blick aber war auf Juliana geheftet, forschend, wie sie das Erzählte aufnahm.
»Die Königin war auch immerzu beschäftigt«, sagte Murie leise. »Zudem hatte sie bereits eigene Kinder, um die es sich zu kümmern galt, und neben ihrer Familie und den Staatsangelegenheiten blieb wenig Zeit für ein weiteres Kind. Ich war meist auf mich allein gestellt bei Hofe, einmal abgesehen von meiner Freundin Emilie. Gatty erscheint mir ausgenommen nett«, fügte sie hinzu, als Juliana schwieg.
»Gewiss … Aber auch sie hat eigene Kinder, und alle hier sind dauernd beschäftigt … Frederick ist mein Freund«, schob Juliana kaum hörbar nach, während sie Murie dabei zusah, wie diese die Enden des Leinenlakens unter die strohgefüllte Matratze stopfte, und deren Handgriffe dann nachmachte.
»Du und Frederick, ihr versteht euch sicherlich fabelhaft, nicht wahr?«, forschte Murie. Sie trat an das Fußende der Schlafstatt und zog das Leinen glatt. Als das Mädchen zu erzählen begann, spähte Lady Gaynor zu den Männern und nickte stumm. Nach kurzem Zögern erwiderten sie ihr Nicken und verließen widerstrebend die Kammer, um einmal mehr zu ihrem Tagwerk zurückzukehren. Ein Blick zu ihrer Zofe zeigte ihr, dass Cecily ihre Arbeit unterbrochen hatte und sich auf den Besenstiel stützte, um zu lauschen und zu beobachten. Als fühle sie sich ertappt, schüttelte sie den Kopf und widmete sich wieder dem Ausfegen des schmutzigen Bodenbelags.
Murie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre junge Schwägerin. Sie lächelte milde, als das Kind ihr einige von den Streichen verriet, die sie und Frederick ausgeheckt hatten. Zweifellos war das Mädchen intelligent, und unter der rauen Schale
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