Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
Samstag hat Mutter uns mit einem Nervenzusammenbruch gedroht und sich in ihr Bett zurückgezogen wie Jane Austens Mrs. Bennet. Sie weigert sich, nach unten zu kommen, sondern lässt sich sämtliche Mahlzeiten auf einem Tablett servieren und schimpft auf das Leben im Allgemeinen und auf mich im Besonderen.
Sally drückt meine Hand, eine zärtliche, höchst willkommene Geste.
»Komm ins Wohnzimmer«, sagt sie leise. »Es ist besser, wenn wir sie nicht stören. Sie hat immer noch grauenhafte Laune.«
Wir gehen ins Wohnzimmer. Es ist bedrohlich still, bis auf das Ticken der Standuhr in der Nische neben der Tür. Im Haus meiner Eltern fühle ich mich immer um ein Jahrhundert zurückversetzt. Ich setze mich auf das Chintzsofa aus den Fünfzigern, das modernste Möbelstück im Raum. Sally hat den Nachmittagstee vorbereitet und serviert ihn in Tassen aus hauchdünnem Porzellan.
»Ich wollte nur schnell vorbeikommen und Bescheid sagen, dass ich für eine Weile verreise«, erkläre ich und nehme dankend eine dampfende Tasse entgegen. »Caro ist wieder da. Sie hat mich zu sich eingeladen. Deshalb fahre ich für ein paar Wochen nach Angels Court. Bis Gras über die Sache gewachsen ist und wir alle wieder normal sind.«
»Was verstehst du unter normal?«, fragt Sally trocken.
»Dass Mutter einfach wieder schrecklich zu mir ist statt absolut und total unausstehlich«, entgegne ich spöttisch. »Andererseits könnte ich mich durchaus daran gewöhnen, dass sie nicht mit mir spricht. Wenn ich nur sicher sein könnte, dass es dabei bleibt.«
Sally blickt verängstigt zur Decke, als könne Mutter genau in diesem Moment lauschen.
Ich stelle meine Teetasse auf den Couchtisch, wühle in meiner Handtasche und ziehe eine kleine schwarze Lederschachtel hervor, die ich Sally-Anne entgegenstrecke.
»Ich brauche deine Hilfe, Sal. Ich verstehe es, wenn du ablehnst, aber du würdest mir wirklich einen Gefallen damit tun.«
Ich schweige, doch sie lächelt mir nur ermutigend zu.
»Würdest du das Richard geben …, bitte?« Ich gerate ins Stocken. »Ich möchte ihn im Augenblick nicht sehen – genauso wenig wie er mich, vermute ich. Er war stinksauer, was?«
»Er war nicht gerade glücklich, nein, aber jetzt scheint es ihm besser zu gehen«, murmelt Sally und nimmt die Schachtel entgegen. Sie holt den Ring heraus und legt ihn auf ihre Handfläche.
»Hast du ihn etwa gesehen?«, frage ich überrascht.
»Mhm.« Sie nickt, steckt sich beiläufig den Ring an den Finger und betrachtet die Diamanten, in denen sich das Licht bricht, das durch die Gardinen einfällt. »Er hat gestern Abend vorbeigesehen.«
Er hat vorbeigesehen?
»Was zum Teufel hatte Richard hier zu suchen?«
»Ich glaube, er wollte mal mit jemandem reden.«
Sally sieht mich an, lächelt verlegen und streift den Ring wieder ab. Sie steckt ihn zurück in die kleine Lederschachtel, die mit einem scharfen Laut zuschnappt.
»Worüber?«
»Na ja, natürlich darüber, was passiert ist«, antwortet Sally und sieht mich mit hochgezogenen Brauen an. »Unter anderem …«
Offensichtlich erstaunt es sie, dass ich erstaunt bin, weil Richard jemandem sein Herz ausschütten wollte. Ich glaube, insgeheim hatte ich damit gerechnet, er wäre genauso erleichtert wie ich, dass unsere Beziehung endlich beendet ist. Er hat mir nie wirklich Anlass zu der Überzeugung gegeben, ich könne ihm fehlen. Ich bin wohl davon ausgegangen, für ihn genau die Gewohnheit zu sein, die er für mich war, und dass ich ihm also einen Gefallen getan habe, indem ich die Hochzeit abblies.
Insgeheim war ich immer davon überzeugt, er hätte mir im Eifer des Gefechts einen Antrag gemacht. Er hatte noch nicht einmal einen Ring in der Tasche, als er mit der Frage herausplatzte, und ich weiß nicht, wer von uns beiden überraschter aussah, als er fragte.
Für mich war der Antrag sowieso wie aus heiterem Himmel gekommen. Für meine Begriffe kamen Richard und ich zu dieser Zeit nicht gerade blendend miteinander aus. Er hatte mich mehrmals unter fadenscheinigen Ausreden versetzt, und ich hatte ihn bis zu dem Abend des Kniefalls kaum noch gesehen.
Zum ersten Mal seit Ewigkeiten verbrachten wir einen halbwegs netten Abend miteinander.
Das könnte etwas mit der Tatsache zu tun haben, dass wir beide schon etwas getrunken hatten, bevor wir uns trafen. Ich hatte mir einen genehmigt, weil wir zu einem Familienessen erwartet wurden und ein Gläschen Alkohol den Abend immer auflockert. Ich habe keine Ahnung, warum
Weitere Kostenlose Bücher