Eine Braut zu Weihnachten
Leben schlecht, schwierig oder unsicher war. Oder wenn er unter Freunden war. Oder, wie in Sebastians Fall, in Gesellschaft seiner Brüder. Und solange dieser übermäßige Genuss sich auf Essen oder Trinken und nicht auf Frauen ausdehnte, konnte er durchaus verziehen werden. Und Charles hatte aus Erfahrung gesprochen.
Veronica hätte nie gedacht, dass ein betrunkener Mann auch nur das kleinste bisschen anziehend sein könnte, aber das hier war etwas anderes. Denn dieser betrunkene Mann war der Ihre. Und ob es ihr nun passte oder nicht, sie war die Seine. Er brauchte sie, und obwohl sie nie damit gerechnet hätte, sie brauchte ihn auch.
Er sah wie ein kleiner Junge aus, wie er dort lag und zweifellos von Bonbons träumte. Friedlich und, wenn man es nicht besser wusste, unschuldig. Veronica fragte sich, ob ihre Kinder ihm ähnlich sehen würden, und ihr wurde ganz warm ums Herz bei dem Gedanken an ihre Kinder . Aber dann kratzte Sebastian sich und machte die Illusion zunichte.
Nicht etwa, dass das eine Rolle spielte. Einige Illusionen waren dazu da, zerstört zu werden. Das Gesicht, das er der Welt zeigte – selbstbewusst und ein bisschen arrogant –, war nicht sein wahres Gesicht. Und auch ihre Vorstellungen von Unabhängigkeit waren kaum mehr als eine Illusion, die zunichtegemacht wurde von der sehr realen Erkenntnis, dass Freiheit bedeutete, ihr Leben allein verbringen zu müssen statt mit ihm.
Lotte hatte gesagt, man müsse das Opfer gegen den Gewinn abwägen. Aber angesichts all dessen, was Veronica zu gewinnen hatte, gab es überhaupt kein Opfer. Er hatte gesagt, er vertraue ihr, und sie vertraute ihm auch. Sie vertraute darauf, dass er sie so liebte, wie sie war. Vertraute darauf, dass er nicht versuchen würde, sie zu ändern oder etwas aus ihr zu machen, was sie nicht war. Und vertraute ihm von ganzem Herzen.
Und Vertrauen war vielleicht das größte Geschenk, das sie einander machen konnten. Zu Weihnachten und für immer.
Kapitel Zwanzig
S ebastian atmete tief ein und versuchte, das Hämmern in seinem Kopf zu ignorieren, als er so diskret wie möglich das Speisezimmer betrat. Das Letzte, was er heute Morgen wollte, war, die Aufmerksamkeit der anderen auf sich und seine alles andere als glänzende Verfassung zu lenken.
Adrian, James und Hugh saßen an einem Ende der langen Tafel und sahen nicht besser aus, als er sich fühlte. Sinclair war nirgendwo zu sehen und lag vermutlich noch im Bett. Sebastian war sich nicht ganz sicher, warum, aber irgendwie war er überzeugt davon, dass der Amerikaner die Schuld an dem gestrigen Abend trug. Zumindest teilweise.
Es war offensichtlich nicht nur Zufall, dass die Ladys an der anderen Seite des Tisches und so weit entfernt wie möglich von den Gentlemen saßen. Sebastian wäre jede Wette eingegangen, dass dies in stillschweigendem, beiderseitigen Einvernehmen geschehen war, da die Männer heute kaum Worte mit mehr als einer Silbe zu formulieren vermochten, während die Damen besprachen, wo mit der Dekoration des Hauses begonnen werden sollte, in welchem Raum der Baum stehen sollte und was sonst noch anfiel an Dingen, die an diesem letzten Tag vor Weihnachten noch zu erledigen waren. An jedem x-beliebigen Morgen hätten das Geschnatter und der Enthusiasmus leicht störend sein können für Gentlemen, die in Ruhe ihr Frühstück genießen wollten. Heute waren sie schmerzhaft.
Sebastian nickte seiner Familie grüßend zu und fing Veronicas Blick auf. Sie machte ein verhältnismäßig mitfühlendes Gesicht, aber in ihren Augen stand auch ein unverwechselbarer Ausdruck der Belustigung. Sie traf ihn am Büfett und reichte ihm einen Teller, bevor sie ihren eigenen mit den Köstlichkeiten füllte, die die Köchin auf großen Platten aufgetragen hatte.
»Die Köchin hat sich der Situation hervorragend gewachsen gezeigt. Eigentlich sogar das ganze Personal, wenn man bedenkt, dass alle neu und nicht an Gäste gewöhnt sind.« Veronica nickte anerkennend. »Findest du nicht auch, Sebastian?«
Er murmelte etwas Zustimmendes.
Sie trat ein wenig näher und sagte so leise, dass nur er sie hören konnte: »Und wie geht es heute Morgen meinem lieben Herrn Gemahl?«
Er zuckte zusammen. »Gut, danke. Aber sei doch bitte so gut und sprich ein wenig leiser.«
»Wenn ich noch leiser spräche, Liebling, müsste ich dir schon schreiben.«
»War ich, ähm …« Sebastian suchte nach dem richtigen Wort. Aber es gab keins.
»Alkoholisiert? Beschwipst? Betrunken?«, sagte Veronica
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