Eine Braut zu Weihnachten
behalten. Und vor allem an der Art, wie sie ihn fast schon so beiläufig auf den Mund geküsst hatte, als wäre es bereits etwas ganz Natürliches für sie.
Im Moment war wirklich alles bestens. Der Gutsverwalter schien ein anständiger Mann zu sein und war mit besten Empfehlungen gekommen. Tatsächlich hatte sich jeder, den er bisher eingestellt hatte, als tüchtig und verlässlich erwiesen. Ja, im Moment war das Leben nahezu perfekt. Die Frau, die er liebte, befand sich unter seinem Dach; das Dach war relativ stabil, und in einer Woche war schon Weihnachten.
Als Junge hatte er Weihnachten geliebt und es immer für die schönste Zeit im Jahr gehalten. Er hätte nicht genau sagen können, wann diese Liebe nachgelassen hatte, doch als er erst einmal von zu Hause fortgegangen war, war es immer schwerer geworden zurückzukehren. Vor zwölf Jahren hatte er die Gelegenheit gehabt, seine erste Expedition zum Amazonas zu machen, und er hatte mit beiden Händen die Chance ergriffen, trotz der väterlichen Missbilligung. Durch die Welt zu reisen, das war kein Leben, das sich für einen Hadley-Attwater geziemte. Es konnte wohl kaum als Beruf bezeichnet werden und galt als verantwortungslos und unreif. Von einem Hadley-Attwater wurde erwartet, dass er seinen ihm standesgemäßen Platz in der Welt einnahm, mit einer entsprechenden, respektablen Position, statt sein Leben mit sinnlosen Betätigungen zu vergeuden. Trotzdem hatte Vater ihn weder enterbt, noch hatte er verhindert, dass er in den Besitz des Treuhandvermögens gelangte, das er wie all seine Geschwister mit Beginn seiner Mündigkeit erhielt. Auf dieses Einkommen war Sebastian angewiesen gewesen, bis er durch Bücher und Vorträge über seine Abenteuerreisen ein eigenes Einkommen hatte. Sein Vater war, kurz nachdem Sebastian zu jener ersten Expedition aufgebrochen war, gestorben, sodass Vater und Sohn nie Gelegenheit hatten, sich zu versöhnen. Trotz ihrer Entfremdung hatte Sebastian nie an der Zuneigung seines Vaters gezweifelt, aber er hatte natürlich nicht ahnen können, als er seinen Vater das letzte Mal sah, dass es in der Tat das letzte Mal sein würde. Von der Vernunft her wusste er, dass der Tod seines Vaters nichts mit seiner Abwesenheit zu tun hatte, da der Earl durch einen Sturz vom Pferd ums Leben gekommen war, und trotzdem war Sebastian jahrelang von dem dumpfen Gefühl, verantwortlich und schuld zu sein, verfolgt worden.
Seit damals schien Weihnachten ihn immer in einem fremden Land zu ereilen. Und nur für die Feiertage heimzureisen, war unpraktisch gewesen – das hatte er sich jedenfalls gesagt. Es war nicht so, als kümmerten seine Mutter und der Rest seiner Familie ihn nicht, aber gerade zu Weihnachten wollte er noch viel weniger als während des restlichen Jahres daran erinnert werden, was für eine Enttäuschung er für alle war.
Heute jedoch war er ein Haus- und Grundbesitzer. Er war sesshaft und würde in unmittelbarer Zukunft auf das Reisen verzichten. Seine früheren Bücher verkauften sich auch weiterhin gut, und er zweifelte nicht daran, dass auch seine zukünftigen Werke sich als ebenso erfolgreich erweisen würden. Auch die Nachfrage nach seinen Vorträgen würde weiter zunehmen. Den Maßstäben nach war er nicht nur erfolgreich, sondern auch verantwortungsbewusst und sogar respektabel. Das müsste seinen Brüdern eigentlich genügen, um ihren Segen dazuzugeben, dass er sein Erbe antrat.
Und abgesehen von allem anderen hatte er nun auch noch Veronica. Sie war zwar noch nicht seine Frau, aber sie würde es bald sein. Auch daran zweifelte er nicht. Und während sie dieses Jahr allein Weihnachten feierten, würden sie es im nächsten vielleicht schon mit seiner Familie tun. Es wurde wirklich langsam Zeit, die Geister der Vergangenheit ruhen zu lassen – auch wenn diese Geister zugegebenermaßen vielleicht nur in seinem Kopf existierten. Ja, das nächste Weihnachten würde noch früh genug sein. Im nächsten Jahr würde er bereit sein. Nächstes Jahr würden er und seine Frau Weihnachten bei seiner Familie feiern. Oder vielleicht wäre es sogar noch besser, seine Familie für Weihnachten nach Greyville Hall einzuladen.
Aber dieses Jahr, gerade jetzt, in ebendiesem Augenblick, war er nicht nur zufrieden, sondern glücklich, denn dies würde das erste Weihnachten von vielen weiteren sein und das einzige, bei dem Veronica seine Geliebte sein würde statt seine Ehefrau. Und wenn sie sich erst einmal bereit erklärte, für den Rest ihres
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