Eine Braut zu Weihnachten
unerwarteten Besucher nach dem anderen.
Dann kam ihm ein Gedanke, der ihn veranlasste, die Stirn zu runzeln. »Wenn Portia nicht bei Ihnen ist, bei wem …«
In dem Moment klopfte es an der Tür.
»Haben Sie nicht zu Sinclair gesagt: › Wir mussten ein- oder zweimal anhalten …‹«
Die Tür öffnete sich, und über eine weibliche Stimme, an die er sich schwach erinnerte, konnte er Stokes’ Proteste hören.
Sebastian starrte seine Mutter erschrocken an.
»Du solltest deine Frau holen lassen, mein Junge. Ich kann es kaum erwarten, sie endlich kennenzulernen.« Seine Mutter beugte sich in verschwörerischer Weise zu ihm vor. »Ich habe eine wundervolle Überraschung für sie. Ich liebe Überraschungen zu Weihnachten«, erklärte sie mit einem zufriedenen Lächeln. »Und du hast völlig recht. Es wird ein großartiges Weihnachten werden.«
Sebastian hatte sie rufen lassen? Wie eine … eine Ehefrau? Veronica musste sich sehr beherrschen, um nicht zur Bibliothek zu eilen, aber sie wollte ihm nicht die Genugtuung geben, auch nur für eine Sekunde lang zu denken, dass er sie springen lassen konnte. Ha! Es war nicht leicht, sich Zeit zu lassen, denn je eher sie ihn sah, desto eher konnte sie ihm mit unzweideutigen Worten sagen, dass sie sich nicht herbeizitieren ließ! Außerdem plagte sie die Neugier. Der Lakai, den Stokes geschickt hatte, der wiederum von Sebastian geschickt worden war, um sie abzuholen , war zu verwirrt gewesen, was den Grund anging, warum sie herbeigerufen wurde. Aber dass die Dienerschaft verwirrt war, war nicht anders zu erwarten. Keiner von ihnen war es gewöhnt, so viele unerwartete Gäste im Haus zu haben, wie bisher gekommen waren.
Veronica ging sogar noch langsamer. Sebastian war zugegebenermaßen nicht der Typ Mann, der seine Frau zu sich kommen ließ wie Petruccion in Der Widerspenstigen Zähmung . Er war vielmehr die Art von Mann, die bereit war, den Rat einer Frau anzunehmen und auch zu akzeptieren, dass sie in einigen Dingen erfahrener sein könnte als er selbst. Aber die Ehe veränderte einen Mann. Großer Gott, was dachte sie denn da? Sebastian war nicht verheiratet. Genauso wenig wie sie selbst!
Stokes stand vor der geschlossenen Tür zur Bibliothek, als bewachte er sie, und trotz seiner guten Ausbildung konnte er nicht die Erleichterung verbergen, die sich bei Veronicas Herannahen auf seinem Gesicht zeigte. Kaum sah sie den Ausdruck des Butlers, erkannte sie, dass sie zu unvernünftigen Schlussfolgerungen gelangt war. Vielleicht hatte Sebastian sie ja holen lassen, weil er sie brauchte? Sie konnte sich nicht entsinnen, je gebraucht worden zu sein. Charles hatte sie geliebt, aber nicht gebraucht. Eine ganz eigenartige Wärme durchflutete sie bei dem Gedanken, gebraucht zu werden.
»Die Sache wird langsam interessant, Mylady«, raunte Stokes und öffnete die Flügeltür. Was konnte der Butler damit meinen? Veronica betrat den Raum – und blieb wie angewurzelt stehen.
In einem kleinen Winkel ihres Kopfes, der dieser Farce, die sie gefangen hielt, noch eine komische Seite abgewinnen konnte, bemerkte sie, dass das Tableau vor ihr so aussah, als sei es inszeniert worden, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Ihre Großmutter und eine Dame, etwa in Tante Lottes Alter, saßen in den Sesseln beim Schreibtisch. Lotte stand ganz in der Nähe. Veronicas Vater nahm, wie nicht anders zu erwarten, die Bücherregale in Augenschein. Sebastian stand neben seinem Schreibtisch, mit einem Ausdruck der Bestürzung in den Augen, als könnte er nicht glauben, in was für einer verzwickten Lage er sich befand. Hätte Veronica im Theater gesessen, wäre die Szene auf der Bühne außerordentlich amüsant gewesen, und sie hätte sich vielleicht gefragt, was jetzt eigentlich noch passieren könnte. Doch so, wie die Dinge lagen, fehlten ihr zum ersten Mal in ihrem Leben die Worte.
»Du hättest es uns sagen sollen.« Tante Lotte eilte auf sie zu und küsste sie auf die Wange. »Ich hatte keine Ahnung, dass du auch nur daran gedacht hattest zu heiraten.«
»Es war eine ziemliche Überraschung für uns alle«, bemerkte ihr Vater mit einem müden Lächeln. »Aber du hast ja noch nie getan, was man von dir erwartete.«
Sie schaffte es, sich zu einem schwachen Lächeln durchzuringen, während sie sich fragte, ob sie genauso schockiert aussehen mochte wie ihr Ehemann . Aber sie zwang sich, ein gewisses Maß an Haltung zu bewahren, und ging zu ihrem Vater, um ihm einen Kuss zu geben. »Guten Tag,
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