Eine Braut zu Weihnachten
vor gar nichts fürchtet. Aber Bianca mag ihn auch nicht. Genau das würde es ja so amüsant für uns alle machen und auch für sie, obwohl sie das bestreiten würde. Aber im Grunde ist es egal, da sie derzeit ohnehin nicht frei ist und daher auch nicht auf meiner Liste stehen kann. Und Biancas wegen bin ich auch nicht hier.« Lady Helena kniff die Augen zusammen. »Ich muss dir sagen, dass ich nicht begeistert war, durch eine zufällige Begegnung in Paris mit einer Bekannten der Schwiegermutter meiner Tochter herauszufinden, dass mein jüngster Sohn geheiratet hat.«
Sebastian starrte sie an. »Durch wen, Mutter?«
Sie seufzte. »Portia und ich waren auf dem Weg nach Italien, und wir hatten uns vorgenommen, ein paar Tage in Paris zu bleiben. Ich habe Paris immer gemocht, und es scheint ja auch in der Tat eine Stadt zu sein, durch die man nicht einfach hindurchfährt, sondern die man für ein paar Tage genießen sollte.«
»Und?«
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Und da ich die Geschichte erzähle, werde ich mir so viel Zeit dafür nehmen, wie ich will. Ungeduld, Sebastian, ist keine Tugend.«
»Entschuldigt bitte, Mutter.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an die Schreibtischkante und sah Lady Helena an. »Aber fahrt doch bitte fort.«
»Ach, das ist jetzt nicht mehr wichtig. Es genügt wohl zu sagen, dass ich von deiner Heirat – wie soll ich sagen?« Sie überlegte einen Moment. »Aus vierter Hand erfuhr. Es ist kaum zu glauben, aber ich habe unmittelbarere Kenntnisse von politischen Skandalen gehabt als von der Heirat meines eigenen Sohnes.«
»Es tut mir leid«, sagte er mit aufrichtigem Bedauern. Es tat ihm wirklich leid – und die Liste all dessen, was er bedauerte, wurde mit jedem Tag länger. »Ich hatte vor, es Ihnen zu sagen, aber es kam alles sehr unerwartet.« Was schon fast die Wahrheit war. Der Gedanke heiterte ihn ein wenig auf. Er hatte ja wirklich vorgehabt, es seiner Mutter zu sagen, wenn er heiratete, doch fast alles, was seit seiner Begegnung mit Veronica geschehen war, war völlig unerwartet gekommen.
»Nun ja, was geschehen ist, ist geschehen.« Seine Mutter schenkte ihm ein Lächeln. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie erfreut ich bin. Oder wie erfreut wir alle sind. Obwohl ich Lady Smithson noch nie begegnet bin, weiß ich einiges über sie. Und mit ihrer Familie bin ich natürlich auch bekannt.«
»Ach, tatsächlich?«
»Aber ja. Ich kenne Charlotte Bramhall und ihren Bruder, Viscount Bramhall, schon seit Jahren, obwohl ich besser bekannt war mit seiner Frau, Lady Smithsons …«
»Veronica.«
»Ja, natürlich, Veronica. Ich kannte ihre Mutter. Hübsche Frau. Wie auch Miss Bramhall. Aber damals waren wir das natürlich alle. Heute können wir froh sein, wenn wir als gut erhalten angesehen werden. Oder schlimmer noch, wenn wir als interessant beschrieben werden, was zu bedeuten scheint, dass wir, während wir früher einmal als schön galten, heute nur noch Persönlichkeit besitzen. Und wenn wir die Kraft besaßen, unsere Ehemänner überlebt zu haben, werden unsere Titel mit dem Wort Witwe verbunden, was ein fürchterliches Wort ist und für mich immer Bilder von Nutztieren heraufbeschworen hat, die ihren Nutzen überdauert haben. Älter zu werden ist ganz und gar nicht schön für eine Frau, obwohl es wahrscheinlich immer noch besser ist, als in einem Grab zu vermodern.« Sie erschauderte. »Aber wo war ich stehengeblieben?«
Sebastian unterdrückte ein Lächeln. »Sie sprachen von …«
»Ah ja«, fuhr sie fort. »Ich erinnere mich sogar, auf ihrem Verlobungsball gewesen zu sein.«
Sebastian zog die Brauen zusammen. »Auf dem von Veronicas Mutter?«
»Oh nein, ich spreche von Miss Bramhalls Verlobung mit … wie war doch noch sein Name? Ach ja, Tolliver.«
Sebastian starrte sie entgeistert an. »Hugo Tolliver?«
» Sir Hugo Tolliver inzwischen, falls ich mich nicht irre. Sie waren das perfekte Paar, oder so hieß es damals jedenfalls.« Seine Mutter lächelte bei der Erinnerung. »Sie war hübsch und temperamentvoll und er ein fescher junger Forscher, der immer unterwegs war und die Welt bereiste. So wie du«, fügte sie mit einem scharfen Blick auf ihren Sohn hinzu.
»Wie interessant.« Es gab nichts, was seine Mutter mehr liebte als Klatsch, selbst uralten, obwohl sie das entschieden bestritten hätte. Doch solange sie von der Vergangenheit sprach, konnte die Gegenwart vielleicht vermieden werden. »Bitte erzählt weiter, Mutter.«
»Da
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