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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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Fährmann«, sagte Hänsel. »Er war sieben lange Jahre auf seinem Boot und konnte nicht herunter, was er auch versuchte.«
    »Der alte Dummkopf!«, sagte der Teufel. »Er muss nur sein Ruder jemand anderem geben, dann ist er frei und der andere muss für immer auf der Fähre bleiben. Aber das weiß er natürlich nicht.« Er kicherte über den Schmerz, den er verursacht hatte, und sagte: »Weck mich bloß nicht noch einmal auf, sonst ergeht es dir schlecht.«
    Hänsel, zitternd wie Espenlaub, hielt die drei goldenen Haare in der Hand. Gerade als der Teufel dabei war, wieder einzuschlafen, durchfuhr ein herzzerreißender Schrei das Haus. Der Teufel setzte sich auf. »Was zur Hölle war das?«, brüllte er.
    »Es hörte sich an, als ob es vom Dachboden käme!«, sagte Hänsel. »Vielleicht ist einer der Sünder weggelaufen?«
    »Das werden wir sofort wissen!«, schrie der Teufel, sprang auf seine Füße und rannte die Treppe hoch. Sobald er außer Sichtweite war, sprang Hänsel auf, warf die Perücke und das Kleid von sich und lief hinaus. Er rannte zur Höllenpforte, die drei goldenen Haare fest in der Hand. Nach einer Weile sah er kurz über seine Schulter. Zu seiner Überraschung entdeckte er, dass die Feuerschlunde und die Dämonen mit den Mistgabeln verschwunden waren. Stattdessen sah er arme Sünder auf dem Boden der Höhleliegen. Sie krümmten sich und schrien voller Reue wegen all des Leids, das sie verursacht hatten. Weil er die drei goldenen Haare in der Hand hielt, wusste er, dass er die Wahrheit sah. Er sah die Hölle, wie sie wirklich war.
    Er kam zu der großen, schwarzen Tür. Als er sie berührte, sprang sie auf und Hänsel stand blinzelnd im Tageslicht.
    Der alte Mann, der die ganze Zeit vor der Tür gewartet hatte, richtete sich auf. »Du bist der Hölle entronnen!«, rief er. »Halleluja!« Und dann fragte er: »Warum trägst du Make-up?«
    Genau in diesem Moment erklang ein schrecklicher Schrei aus den Tiefen der Hölle – der unverkennbare, das Blut gefrieren lassende, haarsträubende, den Magen umdrehende Schrei des Teufels.
    »Lauf!«, schrie Hänsel. Und genau das taten sie. Sie liefen über den staubigen Grund, weg von der Pforte der Hölle. Als Hänsel über seine Schulter blickte, sah er hinter sich den wütenden Teufel über den Rasen galoppieren. Es ist nämlich so: Außerhalb der Höllenpforte hat der Teufel keine Macht über Menschen, die nicht verdammt sind. Deshalb musste er sie zu Fuß verfolgen.
    Aber er war immer noch schneller als der Junge und der alte Mann. Er war ihnen dicht auf den Fersen, als sie den Fluss erreichten. Sie sprangen auf das Boot des Fährmanns und legten ab.
    »Hast du herausgefunden, wie ich von dieser Fähre herunterkomme?«, fragte der Fährmann.
    »Das habe ich«, antwortete Hänsel. »Aber bring uns zuerst hinüber! Denn der Teufel ist hinter uns her!«
    Und so ruderte der Fährmann so kräftig er nur konnte. Als Hänsel und der alte Mann ausgestiegen waren, sagte Hänsel dem Fährmann, was er tun musste.
    Der Fährmann ruderte zum anderen Ufer zurück, wo der Teufel schon ungeduldig wartete. »Ihnen nach! Sofort!«, kommandierte er und sprang auf das Boot. Also begann der Fährmann zu rudern. Aber er ruderte so langsam, wie er nur konnte. »Beeil dich!«, schrie der Teufel ungeduldig. »Sie entkommen mir!«
    Aber der Fährmann sagte: »Ich kann nicht schneller rudern. Die Strömung ist zu stark.«
    »Zum Teufel!«, brüllte der Teufel und riss dem Fährmann das Ruder aus der Hand. Er ruderte sie blitzschnell an das andere Ufer, aber als sie die andere Seite erreichten, sprang der Fährmann an Land, und der Teufel konnte nicht mehr von der Fähre gehen. Er grölte und schrie und weinte, aber es half alles nichts.
    Der Fährmann kratzte eine Nachricht in eine Schieferplatte, um allen, die vorbeikamen, die Situation zu erklären. So würde keiner aus Versehen den Teufel befreien. Er zeichnete noch Blumen und lächelnde Engel auf das Schild. Der Teufel qualmte vor Wut. Aber er würde auf diesem Boot für viele Jahre gefangen sein.
    Der alte Mann lachte und lachte, als er den wutentbrannten Teufel in dem kleinen Fährboot sah. Auch Hänsel lachte und wischte sich die Schminke vom Gesicht. Und er und der alte Mann gingen zurück, um die Städte zu besuchen, durch die sie gekommen waren, und den Menschen zu erzählen, wie sie die Flüche des Teufels brechen konnten.
    Aber nachdem sie eine Weile gegangen waren, stolperte der alte Mann. Hänsel fing ihn auf und sie

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