Eine ehrbare Familie
noch mehr Vertrauen zu dir fassen.»
Sie sprachen noch eine halbe Stunde länger. Bridget gab Giles Namen an von Feniern, die sich, wie sie wußte, aktiv zum Kampf rüsteten. Giles erklärte ihr neue Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung. Er wünschte, er hätte es mit Malcolm zu tun, aber Malcolm wußte nicht einmal, daß er in Irland war.
«Sobald wir etwas Überzeugendes zum Weitergeben haben, laß ich’s dich wissen», sagte er zum Schluß. «Und sei vorsichtig.»
Als das Jahr dem Ende zuging, gebar Margaret Railton einen kräftigen Knaben. Sie nannten ihn Donald Giles. James war mit knapp zwanzig Vater geworden und freute sich darüber wie ein Kind.
Weihnachten wurde in Redhill gefeiert, und mit Ausnahme von den Grenots und Malcolm und Bridget war die ganze Familie anwesend. Die letzten Tage des Jahres vergingen schnell. Um Mitternacht des 31. Dezember hörten die Railtons die Kirchenglok-ken läuten. Das Jahr 1914 hatte begonnen.
Doch niemand ahnte, wieviel Grauen und Schrecken es bringen würde.
Padraig O’Connell saß an einem frühen Morgen am Straßenrand. Es war der 28. Juni 1914. Die Sonne erklomm langsam den Horizont und schickte ihre ersten Strahlen über die Hügel.
Zu seiner Rechten huschte ein flüchtendes Reh vorbei, und dann sah er seinen Vertrauensmann. Er schritt über die Felder direkt auf ihn zu.
Sie begrüßten sich wie Fremde, die sich auf einem Spaziergang begegneten.
«Also?» Padraig wandte sich dem Mann zu, der mit steinerner Miene neben ihm stand.
«Also was?»
«Was ist durchgesickert? Was weiß man in London?»
«Das, was ganz Irland weiß.» Der Vertrauensmann sah ihn lange an. «Man weiß, daß das englandtreue Ulster-Freiwilligenkorps gut bewaffnet ist - ungefähr vierzigtausend Gewehre.»
«Ist das alles? Keine weiteren Geheimnisse?»
«Nur Gerüchte. Es heißt, die Waffen für die Anhänger der Selbstregierung seien in Deutschland gekauft und würden innerhalb eines Monats geliefert. Die Waffen sollen per Schiff in der Nähe von Kingstown ankommen.»
Padraig lächelte. Diese letzte Nachricht hatte er selbst ausgestreut und gehofft, daß die Gegenseite sie für bare Münze hielt. Aber die Waffen würden weit entfernt von Kingstown landen. «Ist das alles?»
«Alles, was ich weiß.»
«Ihr Ehrenwort?»
«Mein Ehrenwort.»
«Geben Sie weiterhin acht. Falls irgend etwas anderes an London weitergegeben wird, sagen Sie es dem Jungen, und ich setze mich mit Ihnen in Verbindung.»
Der Mann wandte sich zum Gehen, dann blieb er stehen und fixierte O’Connell. «Ich tue dies nur aus einem einzigen Grund. Ich liebe meine Frau mehr als England. Ich will, daß sie in Ruhe gelassen wird. Ich will sie in Sicherheit wissen.»
«Dann tun Sie, was ich Ihnen sage», Padraig O’Connell lächelte verächtlich. «Sie werden über die Waffenlieferung an die irischrepublikanische Bruderschaft nach London berichten.»
«Wie bitte?»
«O ja. Sie genießen doch das Vertrauen von vielen Beamten in Dublin, nicht wahr?»
«Ja.»
«Dann werde ich Ihnen das Datum und den genauen Landeplatz, wo die Waffen und die Munition ankommen, bekanntgeben. Das kann Ihr Prestige bei den Dublinern nur erhöhen.»
«Aber damit verraten Sie doch Ihre eigene Sache!»
«Nicht, wenn ich Ihnen Angaben mache, die nicht ganz akkurat sind. Die Soldaten werden nicht am richtigen Landungsplatz warten, aber ganz in der Nähe, und das zwei Stunden zu spät.»
«Ich verstehe.»
«Ach, wirklich? Bravo! Sie werden also berichten, daß die Waffen am 26. Juli in den frühen Morgenstunden in Howth ankommen. Wissen Sie, wo Howth liegt?»
«Nördlich von Dublin. In den frühen Morgenstunden, sagten Sie?»
«Ich werde Ihnen noch eine genauere Zeitangabe geben, sobald ich sie weiß. Aber nehmen Sie sich keine Freiheiten heraus, Mister Railton. Sie sind der einzige Außenseiter, der eingeweiht ist. Ihr Ruf bei den Dubliner Beamten wird nicht darunter leiden, wenn die Polizei und die Armee fast am richtigen Landungsplatz und nur zwei Stunden zu spät eintreffen, um meine Jungens zu erwischen. Haben Sie das begriffen?»
«Ja.» Malcolm hatte einen bitteren Geschmack im Mund.
O’Connell grinste, als er der hohen, leicht gebeugten Gestalt nachsah. Die Engländer sind solche Dummköpfe, dachte er. Man brauchte sich nur die zwei Railtons anzusehen - die Irin mit ihrem englischen Mann. Beide arbeiteten für ihn und gegen die englandhörigen Ulsterleute, und keiner wußte, was der andere tat. Wenn einer der
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