Eine ewige Liebe
Gräberreihen des Gartens des Immerwährenden Friedens.
Frieden war allerdings nicht gerade das, was ich verspürte.
Ich blieb vorWates Landing stehen. Es sah noch genauso aus wie zuvor. Mom war im Haus und ich musste auch dringend mit ihr reden.Aber vorher hatte ich noch ein paar Dinge zu erledigen.
Ich setzte mich auf dieTreppenstufen und schloss dieAugen.
»Bring mich nach Hause.«
Wie lautete der Spruch noch mal?
Um zu erinnern und in Erinnerung zu bleiben.
Ducite me domum.
Ut meminissem.
Ut in memoriam tenear.
Ich erinnere mich an Lena.
Und nicht an den Wasserturm.
An das, was davor war.
Ich erinnere mich an Ravenwood.
Damit Ravenwood sich auch an mich erinnert.
Nach Ravenwood.
Bring mich nach –
Ich lag auf der Erde von Ravenwood, eingezwängt unter einem R o senstrauch und einer verwilderten Kamelienhecke. Ich war wieder auf die andere Seite gewechselt – und diesmal ganz allein.
»Geht doch, verflucht noch mal.« Ich lachte erleichtert.Allmählich hatte ich den Bogen raus, was dasTotsein anging.
Ich rannte buchstäblich die Stufen der altenVeranda hinauf. Ich musste herausfinden, ob Lena die Botschaft – meine Botschaft – erhalten hatte. Mein einziges Problem war, dass keiner Lust hatte, das Kreuzworträtsel der Stars and Stripes zu lösen, nicht einmalAmma. Ich musste sie irgendwie dazu bringen, die Zeitung zu lesen.
Lena war nicht in ihrem Zimmer und sie war auch nicht an meinem Grab. Sie war an keinem unserer Plätze.
Nicht in dem Zitronenwäldchen und auch nicht in der Krypta, wo ich zum ersten Mal gestorben war.
Ich suchte sogar in Ridleys früherem Zimmer und stieß dabei auf Liv, die in dem knarrenden Himmelbett schlief.Vielleicht hatte ich Glück und ihr Ethan-Wate-o-Meter schlug aus.Aber ich hatte mich zu früh gefreut. Erst da fiel mir auf, dass es Nacht war in Gatlin, im richtigen Gatlin, und dass man absolut nicht von der Zeit derAnderwelt auf die Zeit der Sterblichen schließen konnte. Ich hatte das Gefühl, nur ein paar Stunden weg gewesen zu sein – und siehe da, es war mitten in der Nacht.
Wenn ich es mir recht überlegte, wusste ich nicht einmal, welcherTag heute war.
Und was noch schlimmer war:Als ich mich im Mondlicht über Livs Gesicht beugte, sah ich, dass sie geweint hatte. Ich fühlte mich schuldig, denn es war sehr gut möglich, dass ich der Grund für ihreTränen war, es sei denn, sie und John hätten sich gestritten.
Aber das war unwahrscheinlich, dann als ich nach unten blickte, sah ich, dass ich mitten auf Johns Brust stand. Er hatte sich neben dem Bett auf dem pinkfarbenen Flauschteppich zusammengerollt.
Armer Kerl. Egal wie viel Mist er in derVergangenheit gebaut hatte, er war immer gut zu Liv gewesen. Eine Zeitlang hatte er sogar geglaubt, er selbst sei der Eine, der Zwei ist. Es war schwer, einen Groll gegen jemanden zu hegen, der dieWelt retten und das mit seinem Leben bezahlen wollte.Wenn das einer verstand, dann ich.
Es war nicht seine Schuld, dass dieWelt sein Opfer nicht hatte haben wollen.
Schnell stieg ich von seiner Brust herunter und schwor mir, in Zukunft besser aufzupassen, wohin ich meine Füße setzte. Zum Glück hatte er nicht das Geringste bemerkt.
Nichts rührte sich, während ich von Zimmer zu Zimmer ging. Man hätte meinen können, das Haus sei völlig unbewohnt. Doch auf einmal hörte ich das Knistern eines Kaminfeuers und ging dem Geräusch nach. Im Salon saß Macon in seinem rissigen Ledersessel am Kamin. Und wo Macon war, da war Lena meistens nicht weit. So auch jetzt. Sie saß zu seinen Füßen, mit dem R ücken an die Ottomane gelehnt. Ich roch den Filzstift, mit dem sie schrieb. Ihr Notizbuch lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß. Sie malte lauter Kreise, ohne richtig hinzuschauen. Das Blatt Papier war schon fast durchlöchert.
Aber sie weinte nicht – ganz im Gegenteil.
Sie dachte laut nach.
»Es war Ethan, wer sonst? Ich habe seine Gegenwart so deutlich gespürt, als hätte er direkt neben seinem Grab gestanden.«
Hatte sie das Kreuzworträtsel bemerkt?War sie deshalb so aufgeregt? Ich sah mich im Zimmer um, entdeckte aber nirgendwo einen Hinweis darauf, dass sie das Rätsel gesehen hatte. Neben dem Kamin stand ein kupferner Ständer mit alten Zeitungen. Macon benutzte sie, um im Kamin Feuer zu machen. Ich versuchte, eine einzelne Zeitungsseite anzuheben, brachte es aber kaum fertig, auch nur eine Ecke zu biegen.
Ich fragte mich, ob ich ohne die Hilfe eines erfahrenen Schemen wie Mom überhaupt in der Lage gewesen
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