Eine fast perfekte Lüge
bösen Geistern beschützen.
Das Absurde daran war, dass er selbst viel böser war als jeder böse Geist, den man sich nur vorstellen konnte, und das wusste er selbst natürlich auch ganz genau. Als das Telefon neben dem Hamsterkäfig zu klingeln begann, bekam das Tier so einen Schreck, dass es aus seinem Rad fiel. Aufgescheucht durch den plötzlichen Lärm huschte es zu seinem Napf und begann zu fressen, während sich sein Besitzer draußen beeilte, aus dem Swimmingpool zu klettern, um den Anruf entgegenzunehmen.
Wasser tropfte von seinem gut durchtrainierten Körper, als er über die Terrasse zur Bar ging. Im Vorbeigehen schnappte er sich ein Badetuch, das über einem Barhocker hing, und trocknete sich flüchtig ab, bevor er sich am Telefon meldete.
„Ja?“
„Snowman
…“
Er spannte sich an. „Ja?“
„Auf Ihrer Vordertreppe liegt eine Briefsendung.“
Nachdem der
Snowman
ohne ein weiteres Wort aufgelegt hatte, schlüpfte er in Espadrilles, um keine nassen Spuren auf dem Boden zu hinterlassen, und ging durchs Haus. Auf der Vordertreppe lag wie angekündigt ein Briefumschlag. Er hob ihn auf, kehrte damit ins Haus zurück und schloss schnell die Tür, damit die Nachbarin von gegenüber keine Zeit mehr hatte, ihm zuzuwinken.
Im Laufen riss er den Briefumschlag auf, der zwei Fotos sowie eine handschriftliche Notiz enthielt.
Finden Sie heraus, wo sich Jonah Slade zurzeit aufhält, aber tun Sie es möglichst unauffällig. Um weitere Anweisungen entgegenzunehmen, rufen Sie die folgende Nummer an
.
Er legte den Zettel beiseite und griff nach den Fotos. Das eine zeigte einen bärtigen Mann mit Pferdeschwanz, der mit einem Sturmgewehr im Anschlag unter einem Bananenbaum stand. Auf dem anderen war derselbe Mann zu sehen, diesmal allerdings ohne Bart, mit kurzen Haaren und mit einem Anzug bekleidet. Wenn man nicht wusste, dass es sich um ein und denselben Mann handelte, würde man es kaum glauben.
Nachdem er die Fotos ein paar Sekunden nachdenklich betrachtet hatte, legte er sie auf den Zettel mit der Nachricht und ging dann mit einer Packung Hamsterfutter zum Käfig. Er steckte seinen Finger durch die Gitterstäbe und lächelte den Hamster an, als der anfing, an seinem Finger zu knabbern.
„Na, Arnold, wie geht’s, alter Knabe? Du witterst Abendessen, richtig?“ Er öffnete den Käfig, nahm den Fressnapf heraus und füllte ihn auf, dann gab er dem Hamster frisches Wasser. „Es sieht ganz danach aus, dass du wieder ein bisschen bei Jennifer nebenan bleiben musst, aber das macht dir ja nichts aus, oder?“
Der
Snowman
hatte nie geplant, ein Profikiller zu werden, aber mit der Zeit hatte ihm die gelegentliche Haschischzigarette nicht mehr ausgereicht, sodass ihm nichts anderes übrig geblieben war, als nach stärkerem Stoff zu greifen. Aus seiner Sucht hatten sich Probleme ergeben, über die er schließlich die Kontrolle verloren hatte. Er hatte sich mit den falschen Leuten eingelassen und war ihnen zu Dank verpflichtet gewesen. Am Ende war ihm alles über den Kopf gewachsen, was dazu führte, dass er das Gesetz erst gebeugt und schließlich sogar gebrochen hatte. Bei seinem ersten Mord war er gegen Schuldgefühle bereits immun gewesen. Entscheidend war dabei für ihn gewesen, dass er wieder alles unter Kontrolle hatte und niemandem mehr auch nur einen Cent schuldete. Doch bei dem einen Mord war es nicht geblieben, und der Kontostand des Geheimkontos, das er sich in der Schweiz eingerichtet hatte, war immer weiter angestiegen.
In Anbetracht seiner wahren Natur hätte man es kaum für möglich gehalten, dass er dem Hamster aufrichtige Zuneigung entgegenbrachte, und doch war es so. Wenn er verreisen musste, und das war sehr oft der Fall, bezahlte er die zehnjährige Tochter seiner Nachbarn dafür, dass sie sich um Arnold kümmerte. Es war ein freundschaftliches Arrangement. Inzwischen hatte er allerdings die Lust daran verloren, ständig unterwegs zu sein.
Widerstrebend schloss er die Käfigtür, dann rief er bei seinen Nachbarn an, um Jennifer zu bitten, sich während seiner Abwesenheit um Arnold zu kümmern. Schließlich machte er sich fertig.
Am nächsten Morgen
Evan stöhnte im Schlaf auf und versuchte etwas Schweres, das auf seiner Schulter lastete, abzuschütteln.
„Los, Junge, aufwachen. Mach schon, wach auf.“
Als er die Stimme hörte, fuhr er hoch und wich zur Wand zurück, um dem Bewacher so weit wie möglich zu entfliehen.
Der Mann stellte ein Tablett mit Essen neben Evan auf die
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