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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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Wicks Tod. Den Knaben musste sie gut im Auge behalten   – und ihr Verhalten ebenso, wenn sie in seiner Nähe war. Er war der Polizei gegenüber vielleicht sehr unkritisch, aber er war klug genug, um sie bei jedem Fehler zu ertappen, den sie in der Rolle von Mark Quinn machte.
    Wenn sich Wick tatsächlich von dem Turm gestürzt hatte, gab es keine Unstimmigkeiten und keinen Mörder. Blieb jedoch die Frage nach dem Motiv. Wasbrachte einen Mann dazu, sich umzubringen? Verzweiflung? Schulden? Und was war mit der Methode, die er gewählt hatte? Viele Selbstmörder wählten den Fluss, einfach, weil es eben so viele taten, oder Gift, weil es schnell und sauber ging. Aber von einem Turm zu springen war eine theatralische letzte Geste. Hatte er damit etwas bezweckt? Vielleicht eine Botschaft an seine Arbeitgeber   …
    »Jetzt müssen wir aufräumen.« Jenkins hob die Rumkanne und ließ sich die letzten Tropfen direkt aus der Tülle in den Mund tropfen.
    Mary sah sich um. Tatsächlich, die Bauarbeiter verzogen sich alle. »Was mach ich mit dem kalten Tee?«
    Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. Mary nickte, ging zur nahe gelegenen Themse und wusch die Kanne im wenig sauberen Flusswasser aus.
    Als sie zurückkam, schnupperte Jenkins vorsichtig an dem angeschlagenen Milchkrug. »Halbehalbe?«
    Mary schüttelte den Kopf. Es passte wahrscheinlich nicht zu ihrer Rolle, jegliche Art von Essbarem, das umsonst war, abzulehnen, aber am Rand des Kruges hatten sich kleine Milchklümpchen gebildet, und die Flüssigkeit selbst war seltsam bläulich grau. Sie konnte sich einfach nicht überwinden, das zu trinken.
    Er kippte es in sich hinein, dann verzog er das Gesicht. »Puh, schon etwas hinüber.«
    Mary grinste. Sie konnte sich noch an eine Zeit erinnern, wo sie die Milch auch hinuntergewürgt hätte. »Ich räum das alles weg. Was dann?«
    »Zurück an die Arbeit, wenn du ein Streber bist.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann nicht.«

Sechs
    B isschen rutschig hier draußen«, sagte der Kutscher, als er die Trittstufen der Kutsche herunterklappte. Er hielt den Arm hoch, wie er es bei einer Dame getan hätte.
    Die Stiefel, die aus dem Inneren auftauchten, waren eindeutig die eines Mannes, genauso wie die Hand, die ihn wegscheuchte. »Ich bin bestens in der Lage, drei Stufen ohne Hilfe zu überwinden, Barker.« Wie zum Beweis stieg er rasch hinunter und schlug die Tür der Kutsche selbst zu. Er war keineswegs alt   – sein Haar war dunkel, ohne graue Fäden, und seine Gesichtshaut glatt. Dennoch bewegte er sich nicht wie ein junger Mann. Sein Gang hatte etwas Steifes.
    Barker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Sehr wohl, Sir.«
    Der Herr ließ den Blick über die Baustelle gleiten. Zwischen seinen Brauen hatte sich eine tiefe Falte gebildet. »Du kannst fahren; ich nehme eine Droschke, wenn ich fertig bin.«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir, dann warteich. Könnte schwierig sein, in dieser Gegend eine Droschke zu finden.«
    Schwierig, vor dem verdammten Parlamentsgebäude eine Droschke zu finden? Unwillig fuhr sein Kopf zu dem Kutscher herum. »Hat George dir aufgetragen zu warten?«
    Barker hatte nicht mal den Anstand, verlegen zu gucken. »Ja, Sir.«
    Er seufzte. Es hatte keinen Sinn, hier eine Szene zu machen. Aber sobald er seinen verdammten, herrschsüchtigen Bruder, der sich wie seine Gouvernante aufspielte, zu fassen bekäme, wollte er ihm so den Marsch blasen, dass kein Zweifel mehr daran bestehen würde, dass er vollkommen wiederhergestellt war. »Ich brauche nicht länger als eine halbe Stunde.«
    »In Ordnung, Sir.«
    Der junge Mann, der so alt wirkte, stand auf dem Gehweg und nahm in sich auf, was er sah. Es war seltsam, wieder auf einer englischen Baustelle zu sein. Die Arbeiter wirkten in dem dunstigen Londoner Tageslicht blass und verhärmt. Es war ein kalkiges Licht, ein Licht, das alles, was es berührte, mit Grau übergoss. Trotz der Vorfälle in Indien merkte er, wie er sich plötzlich nach dem intensiven tropischen Sonnenschein sehnte, der die Dinge funkeln und alle Farben aufleuchten ließ. Das Wort »strahlend« hatte er erst so richtig verstanden, als er in den Fernen Osten gekommen war.
    Er zitterte unwillkürlich, dann warf er einen Blicküber die Schulter, um festzustellen, ob Barker es gemerkt hatte. London war nicht nur grau und rußig, es war auch feucht. Obwohl er das George gegenüber nie zugeben würde, fror er mittlerweile ständig, selbst in seinen Winterkleidern. Aber egal. Er

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