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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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Vater getan hätte. Er war ein mutiger und kluger Mann gewesen, der in ihrer Gemeinschaft sehr geschätzt wurde. Mary hatte erst letztes Jahr erfahren, dass er dabei umgekommen war, als er versucht hatte, einen Skandal aufzudecken; ironischerweise war er so spurlos verschollen, dass sie nicht mal wusste, was für ein Skandal das gewesen war. Doch als sie diese wenig aufschlussreiche und doch alles verändernde Entdeckung gemacht hatte, hatte sie endgültig beschlossen, für die Agentur zu arbeiten.
    Um Skandale aufzudecken.
    Um der Wahrheit zu dienen.
    Um ein Leben zu führen, das ihres Vaters würdig war.
    Der Jadeanhänger, den er ihr hinterlassen hatte   – das Einzige, was das Feuer in dem Laskarenheim letztes Jahr nicht vernichtet hatte, und ihr einziges Erinnerungsstück an ihre Kindheit   –, lag gut versteckt in einem Schubfach in der Akademie. Es warihr teuerster Besitz. Das Problem, das bestehen blieb, war die Frage, wie sich ihre Gefühle für diesen Anhänger, der ihr chinesisches Erbe symbolisierte, mit dem gleichermaßen heftigen Wunsch in Einklang bringen ließ, die Rassenfrage endgültig zu begraben. Aber sie würde genug Zeit haben, darüber nachzudenken, wenn sie wieder Mary war, einfach nur Mary.

Siebzehn
    Palasthof, Westminster
    E s war ein seltsamer, drückender, irgendwie unentschlossener Morgen mit schwülem Wetter und wenig Aussicht auf ein erlösendes Gewitter. Keenan tauchte überhaupt nicht zur Arbeit auf, was alle verwunderte und worüber Reid erleichtert schien, was er kaum verbergen konnte. Weniger sicher war, wie Harkness Keenans Abwesenheit beurteilte. Er hätte vor Wut kochen, eine Erklärung fordern und einen so nachlässigen Vorarbeiter bestrafen müssen. Aber so, wie Harkness Keenan bisher behandelt hatte, war das unwahrscheinlich. Um genau zu sein, Harkness schien es zu vermeiden, in die Richtung der Maurer zu blicken, um nicht bemerken zu müssen, dass Keenan fehlte.
    Der Bauingenieur hatte wohl eine schlimme Nacht hinter sich: Seine Haut wirkte wächsern und die halbmondförmigen Ringe unter seinen Augen waren bläulich rot. Er hatte die Angewohnheit, sich mit den Fingern durch den Bart zu fahren, wenn er nervös war, und an diesem Tag gab es Augenblicke, in denener sich wie ein Affe zu lausen schien. Und dann das nervöse Zucken. Es war offensichtlich, Harkness litt. Doch der vorzeitige Tod eines unbeliebten Handwerkers konnte das Ausmaß seiner Nervosität nicht erklären. Nein: Er hatte mit Sicherheit größere Sorgen als Kleinkriminalität oder mangelnde Disziplin auf der Baustelle.
    Das neue Parlamentsgebäude war vom Unglück verfolgt. Einer der Architekten, der geniale A.   W.N.   Pugin, war einige Jahre zuvor gestorben, und der derzeitige Architekt, Sir Charles Barry, war aufgrund der Arbeitsbelastung angeblich nicht mehr ganz gesund. Jetzt, nachdem die Schuld dem Bauunternehmer zugeschoben wurde, hatte Harkness wirklich allen Grund, sich unwohl zu fühlen und auch so auszusehen. Ein Gebäude, dessen Fertigstellung sich um fünfundzwanzig Jahre verzögert hatte; Baukosten, die auf das Vielfache des ursprünglich geplanten Budgets angeschwollen waren; ein verunfallter Maurer und ein Sicherheitsgutachten, das ihn möglicherweise als Verantwortlichen für die Probleme hinstellte. Wenn man all diese Schwierigkeiten von Harkness bedachte, dann kam einem die Legende vom »Fluch des Uhrenturms« fast glaubhaft vor.
    Mary gehörte zu den letzten Arbeitern, die um die Mittagszeit den Bauhof verließen. Sie hatte eifrig mit James zusammengearbeitet, Notizen gemacht und sich wie ein braver Lehrjunge verhalten. Als sie sich jetzt den Männern anschloss, die auf den Ausgangzuströmten, wurde ihre Aufmerksamkeit durch Reids plötzlich verändertes Verhalten geweckt. Am Morgen war er angespannt und zurückhaltend gewesen. Als Keenan nicht aufgetaucht war, wirkte er aufmerksam und abwartend. Jetzt auf einmal war er munter und entschlossen und bewegte sich leichtfüßig auf den Ausgang zu. Und seinem Ausdruck nach dachte er nicht ans Essen.
    Er war so in Gedanken, dass er fortging, ohne sich die Hände gewaschen zu haben. Reids sorgfältiges Händewaschen war immer Anlass für Spott, es war etwas, womit er es ganz genau nahm. Jeden Tag vor dem Mittagessen und vor dem Nachhausegehen wusch er sich Unterarme und Hände gründlich in einer Regentonne und trocknete sie sorgfältig an einem dünnen Handtuch, das an einem rostigen Nagel hing. Doch heute verschwendete er keinen Blick auf

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