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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Boden. In einem Geprassel von Steingrus kam ich zum Stehen und drehte das vorderste Bündel um. Der ältere Junge. Sein Zopf schmiegte sich klebrig in den langen, klaffenden Schnitt quer über seinen Hals, die Blutpfütze unter ihm schmatzte, als ich ihn bewegte, und verbreitete einen flauen Gestank. Er war noch warm. Ich ließ das andere Häuflein Elend liegen und wandte mich an Kris. »Jemand ist durch dieses Tor hereingekommen«, fuhr ich ihn an, »jemand, den du kennst, und man hat dir gesagt, du sollst solange von der Bildfläche verschwinden, richtig?«
    Er hatte die Hände unter dem Mund gefaltet und trat mit den Hufen aufgeregt hin und her; es war noch hell genug, um zu sehen, wie ihm die Tränen über das Gesicht strömten. »Ja, aber ...«, sagte er. »Ja, aber ...«
    »Nichts aber. Wer war es? Wer?«
    Sein Schweif fegte von einer Seite zur anderen. Er schaute auf die schmächtigen toten Körper und wieder auf mich. Die Tränen liefen über seinen Mund. »Ich - ich kann es nicht sagen«, stieß er hervor. »Ehrlich, ich kann es nicht sagen!« Und während ich noch dachte, daß alles, was Stan mir über die Loyalität von Kentauren erzählt hatte, tatsächlich stimmte, setzte er über die Toten hinweg und verschwand mit trommelnden Hufen in der Dunkelheit.
    Ich lief weiter, zu dem Haus, in dem die drei Mädchen wohnten. Drinnen war es ebenfalls dunkel und totenstill. Ich sprang durch die Tür und rief gleichzeitig Licht. Die Hütte bestand nur aus einem kleinen, trostlosen Raum mi t drei schmalen Betten. Das jüngste Mädchen lag zusammengekrümmt in dem Gang dazwischen, und der lange Strom ihres Blutes sammelte sich in den Vertiefungen des Lehmbodens zu schimmernden Tümpeln. Ich schaute auf die arme Kleine nieder und fluchte und war erstaunt, als bei dem Klang meiner Stimme eines der älteren Mädchen den Kopf unter dem Bett daneben hervorschob, die zweite tauchte unter dem nächsten auf.
    »Wer hat das getan?« fragte ich sie. »Habt ihr etwas gesehen?«
    Sie starrten mich an wie verstörte Tiere, bestimmt standen sie unter Schock. Während ich überlegte, wie ich es anstellen sollte, etwas aus ihnen herauszukriegen, fiel grellweißes Licht in den Raum, begleitet von einem rhythmischen Wummern. Überlassen wir die beiden Mädchen Prinzessin Alexandra! dachte ich erleichtert und stürmte wieder ins Freie. Ein kleiner Hover landete soeben innerhalb des Mauerrings und zu meinem besonderen Ergötzen akkurat auf dem widerwärtigen Gesträuch. Zufall, möglicherweise, aber ich persönlich hätte gewettet, daß der Pilot eine andere Gottheit verehrte. Weitere Hover stiegen ringsum über der Mauer auf. Dakros sprang aus dem zuerst gelandeten und lief auf mich zu.
    »Es tut mir leid«, rief ich ihm entgegen. Meine Stimme klang schrill und heiser vor Reue, Trauer und Grauen. »Es tut mir so leid! Die einzigen Überlebenden sind zwei Mädchen, und sie stehen unter Schock.«
    »Was ist passiert?« schnappte er.
    Es war hart, sehen zu müssen, wie bei meinem Bericht seine Schultern herabsanken - als ob die Last von sieben oder mehr Welten sich darauf legte. Doch er war Berufssoldat und verstand sein Geschäft. Er bellte Befehle, und einige der Hover schwärmten aus, um nach dem jungen Kentaur zu suchen. Die übrigen landeten, uniformierte Männer und Frauen sprangen heraus und begannen flugs, eine Feldbeleuchtung zu installieren. Dakros und ich unternahmen im Licht der grellen, nackten Lampen einen Rundgang zur Bestandsaufnahme der Katastrophe, von der die Militärs eifrig Fotos machten. Prinzessin Alexandra war nicht mitgekommen, doch einige Soldatinnen nahmen sich der Mädchen an, setzten sich mit ihnen am Brunnen hin und versuchten, ihnen behutsam zu entlocken, was sie beobachtet hatten. Dakros schritt mitten durch die Betriebsamkeit und nahm von allen Seiten Meldungen entgegen. Ich rechnete ihm hoch an, daß er angesichts dieser fast völligen Vernichtung all seiner Hoffnungen nicht ein einziges Mal Anstalten machte, mir die Schuld zu geben. Ich an seiner Stelle hätte es getan. Angesichts solcher Großmut fühlte ich mich wie ein Schuft und Versager, zumal ich ihn, auch wenn es feige war und gemein, erneut im Stich lassen mußte. Die Leute, die dieses Blutbad angerichtet hatten, kamen von der Erde. Abgesehen von allem anderen, dem moralischen Aspekt und dem Aspekt der Verantwortung als Magid von der Erde, plagte mich die unwürdige Befürchtung, die Mörder könnten in diesem Augenblick mein Auto

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