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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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Tenorstimme heulte: »Ich fordere Genugtuung! Ich bin Gast bei diesem Kongreß!«, und andere Stimmen redeten durcheinander, um den Tenor zu beruhigen.
    Zum Glück kam der Aufzug in diesem Moment. Nick und ich flüchteten in die Kabine und spähten mit klopfendem Herzen durch die sich schließende Tür. Tatsächlich, Mervin Thurless beugte sich über den langen Tisch, reckte aggressiv das spitze Bärtchen vor, und sein Gesicht glühte wieder einmal puterrot.
    »Wetten, daß ich weiß, was passiert ist?« flüsterte ich Nick zu.
    »Nicht deine Schuld«, flüsterte er zurück, während der Aufzug nach oben stieg.
    »Ich bin Niederländer«, stellte der junge Mann sich vor. »Oder Holländer, wie es in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist. Mein Name ist Kees. Das schreibt man K-E-E-S, und es hat nichts mit Käse zu tun, sondern ist eine Abkürzung für Kornelius.« Letzteres buchstabierte er ebenfalls.
    »Oh«, sagte ich.
    »Aha«, sagte Nick.
    Auch im Lift war ein Spiegel. Er zeigte uns beide, wie wir mit einer gewissen Zurückhaltung den Holländer Kees musterten.
    »Ich bin Maree«, sagte ich. »Das ist Nick.«
    »Erfreut, eure Bekanntschaft zu machen«, antwortete Kees. »Du bist nicht Nick-o-laus und ich bin nicht der Fliegende Holländer. Da! Ein Beispiel für holländischen Humor.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Oh«, sagte Nick.
    Wir waren beide froh, als der Lift hielt und durch die auseinandergleitende Tür eine Tafel mit Pfeilen sichtbar wurde.

    ^ ZIMMER 501 - 556 ZIMMER 557 - 501 ^

    »Ich glaube, wir finden unser - Moment mal.« Nick betrachtete das Schild mit gerunzelten Brauen.
    »Exakt«, meinte Kees selbstzufrieden. »So einfach ist es nicht. Außerdem hat ein Mitglied des Komitees mir aufgetragen, euch hinzubringen, und ich muß tun, was er sagt. Ich bin ein Gopher.«
    »Gopher?« wiederholten Nick und ich im Chor, während wir links den Flur hinuntergingen. Dann hatte ich eine Erleuchtung. »Gofor. Du bist ein Laufbursche.«
    Aber Kees bestand darauf, es ganz genau zu erklären. Er war eben so. »Man buchstabiert es G-O-P-H-E-R, und gemeint sind Leute, die Botengänge machen und ohne die der Con nicht auskommen kann.« Wir gingen durch eine Schwingtür und einen langen, langen Flur entlang. »Kaffeeholer, sagt man volkstümlich auch«, fuhr er fort. »Ohne Zweifel hat es als lustiges Wortspiel begonnen: >geh, hol dies<, >geh, hol das<, 2 aber heutzutage ist es eine Ins titution. Hier entlang.« Der Flur machte einen Kni ck nach links. »Und auf dem PhantasmaCon ist es Brauch, daß die Gophers als Hobbits bezeichnet werden.« Wir bogen wieder nach links um eine Ecke. An jeder dieser Ecken gab es Spiegel. Sie bewirkten einen sehr eigenartigen Effekt, eine kurze Sinnestäuschung, in der wir kamen und gingen und uns in verschiedene Richtungen wandten.
    An der nächsten Ecke riß ich den Blick von den Spiegeln los und sagte höflich: »Dein Englisch ist sehr gut.«
    »Vielen Dank.« Kees neigte leicht den Kopf. »Ich bin auch stolz darauf.«
    An den Türen las ich die Nummern 523, 524, 525.
    »Müßten wir nach Adam Riese nicht bald da sein?« fragte Nick.
    »Nicht unbedingt. Dies ist ein äußerst ungewöhnliches Hotel. Mir kommt es vor wie von Escher. Escher war ein Künstler aus meiner Heimat, bei dem Dinge so aussehen, als führten sie nach oben, dabei führen sie nach unten, und wenn man genau hinschaut, stimmt beides, und man weiß nicht, wo man dran ist.«
    » Hm ... ja«, sagte Nick. Wir gingen jetzt an den Zimmern 540 bis 549 vorbei, und ob man es glaubt oder nicht, wir bogen noch einmal um eine Ecke nach links, nach meiner Rechnung zum fünften Mal. Nick meinte unbehaglich: »Müßten wir nicht gleich wieder beim Lift angekommen sein?«
    Kees schüttelte den Kopf. »In den meisten anderen Hotels ja. Aber hier geben auch fünf Ecken noch kein Quadrat.«
    Und er behielt recht!
    Nick brummte etwas von: dieses Gebäude müßte auf einer Art griechischem Schlüsselgrundriß erbaut sein, und das wäre vollkommen unmöglich, aber ich kann bezeugen, es war möglich.
    Wir bogen noch einmal nach links ab und gelangten fast am Ende eines langen, mit rotem Teppichboden ausgelegten Flurs zu Zimmer 534. Vermutlich konnten wir uns glücklich schätzen, daß 535 daneben lag, in Anbetracht der Umstände hätte es sonstwo sein können. Wie auch immer, wir waren beide ziemlich sicher, daß Kees uns auf einem Umweg hergeführt hatte und daß der Aufzug gleich hinter der nächsten Ecke sein mußte. Wir

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