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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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Hirsebierlieferant; die zwei Bantumänner, die schon bei Tisch saßen und sich leise unterhielten, hießen Mkwawa und Kahigi. Der eine war vom Volk der Matumbi, der andere war ein Sagara, und beide arbeiteten als Handlanger auf der Werft. Wendt hatte sich mit ihnen angefreundet, die ersten Brocken Suaheli von ihnen gelernt und bei den Askari durchgesetzt, dass die zwei ihn abends besuchen konnten, wann immer sie wollten. Jetzt saß er ihnen gegenüber am Tisch, schälte Mangos und Papayas und schnitt das Fruchtfleisch in eine hölzerne Schale. Am Tischende aber saß würdevoll ein Unbekannter – ein jugendlich schöner, überirdisch feingliedriger Massai, einen Speer mit gezackter Eisenspitze an die Tischkante gelehnt, die Hände wie zum Gebet im Schoß gefaltet und den Blick selbstvergessen in die nächtliche Ferne gerichtet. Er war so hochgewachsen, dass er noch im Sitzen Anton Rüter um Haupteslänge überragte. Gekleidet war er in einen Rock aus Antilopenfell, der an den Rändern mit Glasperlen bestickt war, und in seinen weit gedehnten Ohrläppchen steckten zwei handtellergroße, flache Steine. Rüter betrachtete seine hohe Stirn und die dichten Brauen, die Adlernase und die vorspringende Unterlippe, und er ahnte, dass hier ein Mann mit starkem, unbeugsamem Willen saß. Zwar umspielte seine Lippen ein vages Lächeln; aber seine schwarzen Augen, das starke Kinn und die hohen Wangenknochen ließen ahnen, dass sich das friedfertige Antlitz beim geringsten Anlass in schrecklichem Hass verzerren konnte.
    «Setzt euch», sagte Wendt zu Rüter, «wir essen gleich. Der Mann mit dem Speer ist Mkenge, ein nobler Massai, der in der Missionsschule ausgezeichnet Deutsch gelernt hat; er will mit dir reden, aber erst nach dem Essen.»
    «Worüber?», fragte Rüter.
    Wendt zuckte mit den Schultern und stellte die Fruchtschale beiseite, wischte den Tisch ab, deckte sieben Teller, Gabeln und Messer auf und füllte sieben Gläser mit Hirsebier. Es gab Lammkoteletts und Hirsebrei mit Pfefferschoten, Kichererbsenmus und Fladenbrot, zum Nachtisch frisch gerösteten Kaffee und den Fruchtsalat, den Wendt geschnippelt hatte. Dann stellten sie Tisch und Stühle beiseite, rollten geflochtene Matten aus und legten sich hin. Der weißhaarige Araber rauchte eine Wasserpfeife. Samblakira und der junge Wendt kauerten nebeneinander an der Hauswand und unterhielten sich leise auf Suaheli; sie erzählte ihm Geschichten von Zauberern, Hexen und heiligen Bergen, und er versuchte ihr zu folgen, machte gelegentlich mit den paar Wörtern, die ihm schon zur Verfügung standen, einen Scherz und freute sich, wenn sie lachte. Die zwei Bantumänner spielten ein Brettspiel, bei dem man gelb, rot und schwarz gefärbte Linsen nach unergründlichen Regeln in eine Doppelreihe von Mulden verteilen musste; Teilmann spielte mit seinem Gepardenweibchen, und Rüter fragte sich, worüber der schöne Massai, der reglos wie eine Statue abseits auf seinen Fersen saß und den Speer zwischen den Knien hielt, wohl mit ihm reden wollte. Die stille Stunde der Abenddämmerung, da unerfahrene Fremde auf einen ruhigen Schlaf hofften, war längst vorüber; jetzt waren die Kreaturen der Nacht erwacht. In den Bäumen zirpten und kreischten Millionen von Grillen und Zikaden, im harten, dürren Gras herrschte unablässiges Gezischel und Geraschel, darüber stetes Gebell und Geblök und Gebrüll, mal von nah, mal aus der Ferne, dann plötzlich verzweifeltes Aufheulen, gefolgt von einem kurzen Wimmern der sterbenden Kreatur. Aus dem Eingeborenendorf drangen Kindergeschrei und Eselsgebrüll herüber, unten am Hafen sangen ein paar Männer, und die zwei Bantu lachten über ihrem Brettspiel, weil der eine verloren und der andere gewonnen hatte. Nur die Kaserne der Askari stand stumm in der südlich an die Landzunge anschließenden Bucht, und der schöne Massai Mkenge saß reglos da und starrte versonnen lächelnd in die Nacht hinaus. Schließlich hielt Anton Rüter das Schweigen nicht länger aus. Er ging zu Mkenge hinüber und setzte sich neben ihm auf die Fersen. Mkenge legte seinen Speer beiseite und reichte ihm die Hand.
    «Du willst mit mir reden», sagte Anton Rüter.
    «Die Leute reden über dich, also sollte auch mal jemand mit dir reden», sagte Mkenge. Zu Rüters Erstaunen sprach er den fröhlichsten rheinländischen Dialekt, als hätte er Kindheit und Jugend in Oberbarmen oder Düsseldorf verbracht.
    «Was reden die Leute?»
    «Eigentlich nur Gutes. Sie nennen dich ‹Der

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