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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Sander
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Torausfahrt zwischen dem Parkplatz und der Straße. Die Autos, die dahinter entlang fuhren, und deren Fahrer nicht das Geringste von den dramatischen Ereignissen im Hof des Pressehauses ahnten. Die Fenster zu den Büros, die an den Parkplatz angrenzten und die um diese Uhrzeit längst verwaist waren. Während sein Herz wie wild schlug, realisierte er, dass sie in einer Falle saßen, aus der es keinen Ausweg gab. Sollte er Fleischmann angreifen, obwohl ihm völlig klar war, dass er es mit dem brutalen Kriminellen nicht würde aufnehmen können? Er war seinem Gegner körperlich nicht gewachsen und hatte ihm auch sonst wenig entgegenzusetzen. Velten hatte sich zum letzten Mal auf dem Schulhof geprügelt, und schon damals hatte er dabei schlecht ausgesehen. Einfach weglaufen konnte er auch nicht, denn der riesige Kerl versperrte ihm den Weg. Außerdem konnte er Marcks nicht zurücklassen. Um Hilfe zu rufen, war aussichtslos. Niemand würde ihn hier hören.
    Der Zuhälter war nur noch zwei Schritte von ihm entfernt und grinste hämisch, als er den Schläger in beide Hände nahm und langsam ausholte. In seinen Augen glitzerte die schiere Mordlust. „Lust auf eine Partie Baseball?“ Velten machte einen Schritt zurück. In diesem Moment sah er aus dem Augenwinkel einen Strahl, der an ihm vorbei in Fleischmanns Gesicht zischte. Der Zuhälter schien, den Baseballschläger über dem Kopf erhoben, eine Sekunde lang zu erstarren. Dann heulte er auf wie ein Tier, ließ den Knüppel fallen und griff sich mit beiden Händen ins Gesicht: „Du verdammte, kleine...“ Was immer er sagen wollte, ging in einem röchelnden Husten unter. Dann sackte der schwere Mann auf die Knie und fiel, schwer nach Luft schnappend, auf die Seite.
    Velten wirbelte herum. Hinter ihm stand Marcks, die eine kleine Spraydose in der Hand hielt und immer noch auf Fleischmann zielte. „Los, wir nehmen meinen Wagen“, rief sie ihm zu. Die beiden verloren keine Zeit, drängten sich vorsichtig an dem jämmerlich winselnden Zuhälter vorbei und sprinteten zu Marcks’ kleinem Renault. Velten kam es wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich die Schlüssel aus ihrer Tasche gekramt und auf den Türöffner gedrückt hatten. Sie sprangen in den Wagen. Mit durchdrehenden Vorderreifen jagte das Auto über den Parkplatz. Als sie die Ausfahrt erreichten, konnte er im Rückspiegel sehen, dass Fleischmann sich noch immer auf dem Boden wälzte. „Das war knapp“, keuchte er. „Wenn Sie nicht gewesen wären, weiß ich nicht, was...“
    „Schon gut“, winkte Marcks ab und warf das Pfefferspray auf die Rückbank. „Den kleinen Helfer hier habe ich immer dabei. Ein Mädchen kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein.“ An ihrer bebenden Stimme erkannte Velten, dass seine Partnerin längst nicht so cool war, wie sie sich gab. Auch ihm schlug das Herz noch immer bis zum Hals. Sein Magen krampfte sich zusammen, als er daran dachte, dass Fleischmann ihn um ein Haar zusammengeknüppelt hätte. Was der Verbrecher mit seiner Kollegin gemacht hätte, wollte er sich lieber nicht vorstellen. Erst langsam dämmerte ihm, dass er selbst den Kriminellen zu dem Überfall provoziert hatte. Er hatte ihn in dem Artikel mit dem Landau-Mord und dem erstochenen Martin Rothaar in Verbindung gebracht. Und das war ihm nicht aus Versehen passiert. Es war Veltens Retourkutsche für die Prügel gewesen, die er gestern von Fleischmann bezogen hatte und die nicht nur seine Nase sondern auch sein Ego empfindlich getroffen hatten. Beim Schreiben des letzten Absatzes hatte er eine grimmige Befriedigung verspürt. Was war er für ein Idiot! Er hätte wissen müssen, dass er Marcks und sich selbst damit in höchste Gefahr brachte. Fleischmann war schließlich schon wegen Körperverletzung vorbestraft. Und was für Velten fast genauso schwer wog: es hätte ihm klar sein müssen, dass sein Verhalten absolut unprofessionell war. Er fühlte sich schlecht.
    Während Marcks ihn nach Hause fuhr, rief Velten bei Susanne an und erzählte ihm von den Ereignissen auf dem Parkplatz. Sie versprach ihm, sofort eine Streife zum Morgenkurier zu schicken, die Fleischmann aufsammeln würde. Fünf Minuten später setzte Marcks ihn vor seiner Wohnung ab und er stakste mit zittrigen Knien zur Haustür. Ihm war speiübel.
     
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    Velten konnte lange nicht einschlafen. Er hatte sich immer für abgebrüht gehalten, doch die Begegnung mit Fleischmann hatte ihn aufgewühlt. Stunde um Stunde warf er sich von einer Seite auf

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