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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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außer Haus teilgenommen. Wenn sie sich in der Abtei von Gethsemani in Kentucky aufhielt, dem Kloster, in dem sie ihre alljährliche Klausur verbrachte, war sie in Jeans und Turnschuhen durch das Rispengras gewandert und in dem alten Aran-Pullover mit dem irischen Muster, den Tom ihr in jener Woche in Doolin gekauft hatte.
    »Bernie?«, wiederholte Anne-Marie mit Nachdruck.
    Tränen stiegen in Bernies Augen. Dieses Mal war ihr Herz nicht nur von Zweifeln, sondern auch von Zorn erfüllt. Sie hatte das Gefühl, in einer Sackgasse gelandet zu sein. Schmerz und ein Anflug von Panik lösten ein Gefühl der Enge in ihrer Brust aus. Heute Morgen hatte sie ihre Gebete wie Steine empfunden, die in den Liffey fielen. Schwer, hart und fühllos, ohne Leben oder Hoffnung waren sie auf den Grund gesunken, in den Morast des Flusses.
    »Sag mir nicht, dass du den Orden verlässt.«
    Bernie betrachtete schweigend den blassen grauen Himmel.
    »Nimm dir Bedenkzeit. Gib dir selber die Chance, in Ruhe zu überlegen. Triff keine übereilten Entscheidungen«, riet Anne-Marie.
    Bernie saß reglos da, sich der besorgten Blicke ihrer Freundin bewusst. Doch sie war unfähig, sich zu rühren oder zu antworten.
    »Sag mir eines. Sind das alte Zweifel, die auf die Zeit der Vision zurückgehen? Oder wurzeln sie in Eleanor Maries Verhalten?«
    »Beides«, gelang es Bernie zu erwidern.
    »Die Akte befindet sich aber jetzt in eurem Besitz, oder?«
    »Ja. Tom kommt gleich, und dann beginnen wir mit der Suche.«
    »Bitte lass mich wissen, was ihr findet«, sagte Anne-Marie und stand auf. Sie griff in ihren schwarzen Rucksack und holte ein Päckchen heraus, fein säuberlich in braunes Papier eingewickelt.
    »Was ist das?« Bernie nahm das Päckchen entgegen und öffnete es. Sie erkannte das zusammengefaltete schwarze Stoffquadrat auf Anhieb.
    »Dein Schleier. Du hast ihn neulich vergessen. Ich dachte, du solltest ihn haben, für den Fall, dass du entscheidest, ihn wieder anzulegen.«
    »Danke.« Bernie umarmte ihre Freundin. Dann legte sie den Schleier in das oberste Regal des Bücherschranks aus Eiche, der eine Glasfront besaß, und begleitete Schwester Anne-Marie zur Tür. Als sie hörte, wie die Schritte im Treppenhaus verklangen, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück.
    Bernie lehnte die Stirn gegen das kühle Glas des Fensters und blickte auf den Fluss hinaus. Flüsse erinnerten sie an zu Hause, an Star of the Sea, das genau an der Stelle lag, wo der Connecticut River in den Long Island Sound mündete. Sie hatte immer einen tiefen inneren Frieden im Gleichmaß des dahinströmenden Wassers gefunden. Doch jetzt, als sie auf den Liffey hinuntersah, fühlte sie sich aus der Bahn geworfen und unsicher, wohin ihr Weg führte.
    Sie wandte sich vom Fenster ab, schloss die Augen und betete, es bald herauszufinden.
     
    Tom hatte am Kai geparkt, saß in seinem Auto und blickte zu Bernies Fenster hinauf. Er fühlte sich so entkräftet und aufgerieben, als hätte er an einem Marathonlauf teilgenommen. Sein Herz raste, und ihm ging der Gedanke durch den Kopf, dass er vielleicht zu einem Arzt gehen und sich gründlich untersuchen lassen sollte. Die Sache war nur die, er tat nichts anderes als stillhalten. Bernie hatte sich so tief in sich selbst zurückgezogen, dass es ihm unmöglich war, sie zu erreichen. Seine Knochen und Muskeln schmerzten von der Anspannung, sich zurückzuhalten. Er hatte die Akte in der Hand und brannte darauf, endlich loszulegen.
    In dem Moment, als er aus dem Wagen stieg, ging die Eingangstür des Gebäudes auf, in dem sie Unterschlupf gefunden hatte. In der Erwartung, einen Studenten herauskommen zu sehen, erschrak er, als er Schwester Anne-Marie erkannte. Er eilte über das Kopfsteinpflaster des Kais, spürte, wie der Wind auffrischte, senkte den Kopf und stemmte sich ihm entgegen. Auf hoher See braute sich offenbar ein Unwetter zusammen und die Atmosphäre schien geladen.
    »Tom!«, rief sie, als sie ihn entdeckte.
    »Hallo, Schwester. Wie geht es ihr?«
    Schwester Anne-Marie zuckte mit den Schultern und legte den Kopf in den Nacken, um zu Bernies Fenstern hochzusehen. »Sie macht sich Sorgen.«
    »Sie hat kein Wort mit mir gewechselt. Ich habe die Akte beschafft und wurde um ein Haar verhaftet, als ich sie in meinen Besitz brachte, aber sie hat keinen einzigen Blick hineingeworfen.«
    »Hab Geduld mit ihr, Tom.« Anne-Marie sah beunruhigt aus. »Sie macht gerade eine schwierige Phase durch. Sie zweifelt an sich selbst hinsichtlich ihrer

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