Eine franzoesische Affaere
mochte unsichtbar für ihr Auge sein und
vielleicht andere zu ihrem Schutz abstellen, aber er lebte in dieser Stadt. Er
war der Herr über alles.
Schmerzmittel mit einem Anteil an Koffein wirkten Wunder. Sie konnte ihre
Schicht mühelos hinter sich bringen, auch wenn sie in der letzten Woche nicht
viel oder meist sehr schlecht geschlafen hatte. Die Kollegen und Kunden ließen
sich von ihrem aufgesetzten Lächeln täuschen und Make-up tat das Übrige.
Sid räumte unter dem missgünstigen Blick von Mandy ihren Spind aus, die wohl
annahm, dass sie den Job gekündigt hatte, weil sie einen reichen Macker gefunden hatte, der bereit war, sie auszuhalten. Sie hatte die spitze Bemerkung
der Kollegin aufgeschnappt, als sie an der Durchreiche vorbeigegangen war. Sie
hatte nicht einmal Lust gehabt, dem kleinen Biest die Meinung zu sagen. Wäre
sie so gestrickt wie diese Giftschlange, dann würde ihr Leben sehr viel
leichter sein.
Mit einem gleichgültigen Schulterzucken räumte sie ihre letzten Habseligkeiten
in ihre Tasche und schloss die Tür des Spinds mit einem endgültigen Handgriff.
Dann trat sie an den Durchgang zum Laden, um zu sehen, ob sie Rhonda zu sich
her winken konnte. Dieser Abschied würde etwas schwieriger werden, weil die
Frau einfach zu nett und kümmernd war, um manche Dinge zu übersehen. Ihr Blick
blieb an Mandy hängen, die sich einem Mann in den Weg stellte und
wahrscheinlich augenklimpernd zu ihm aufsah. Der Laden war noch ziemlich voll
und man musste warten, bis man einen Platz bekam. Er trug einen schicken Anzug
und einen Trenchcoat über dem Arm, wohl um sich gegen das feuchte Wetter zu
schützen. Sie sah ihm nicht ins Gesicht.
„Rhonda…?!
Kennst du eine… äh… Sidonie St. Pierre?“, rief ihre Kollegin plötzlich mit
leicht kreischender Stimme über den Lärmpegel der Gäste hinweg, wobei sie den
Vornamen wie eine unbekannte Krankheit aussprach und dem zweiten Namen mit
einem nasalen Laut in die Länge zog. Auch wenn Mandy die Aussprache ihres
wirklichen Nachnamens vergewaltigte, erkannte sie ihn natürlich sofort und wich
einen Schritt in den Schatten der Tür zurück.
Rhonda stand hinter der Theke und warf ihr einen fragenden Blick zu. Sid
schüttelte vehement den Kopf und wich noch weiter zurück.
„Tut mir leid,
sie hatte schon Dienstschluss!“, rief Rhonda der Kollegin zu und kam dann auf
sie zu.
„Das bist du doch, oder? Du bist doch nicht vor deinem brutalen Ehemann auf der
Flucht, oder so was?“
Sid lachte
schwach: „Nein… Ich habe keine Ahnung, wer das ist. Ich kenne hier niemanden,
der meinen echten Namen kennt. Ich gehe hinten raus… Ich komme gelegentlich zu
deinem Schichtende, Rhonda und lade dich zu einem Abschiedsdrink ein, ja? Du
hast mir wirklich sehr geholfen… Sei mir nicht böse, aber ich will mich nicht
länger hier aufhalten, falls Mandy es doch schaffen sollte, zwei und zwei
zusammen zu zählen.“
Sie küsste Rhonda spontan auf die Wange und spürte Tränen in die Augen
schießen, als sie fest umarmt wurde. Mütterlich und verständnisvoll. Sid
drückte ihre Hand und hastete nach hinten durch, um über den Flur entlang, den
sie immer zu ihren Zigarettenpausen benutzte, auf die Straße zu rennen.
„ Mademoiselle
St. Pierre ?“
Sid lief stur weiter und reagierte nicht auf das Rufen ihres Namens. Nach einem
gehetzten Blick über die Schulter konnte sie niemanden entdecken, der ihr
folgte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, weil sie unwillkürlich daran denken
musste, dass es sich dabei um einen Immaculé handeln könnte, den ihr
Malcolm auf den Hals gehetzt hatte.
„ Je vous enpris! Arrêtez, s’ il vous plait*! Ich werde
sie durch die ganze Stadt verfolgen, wenn es sein muß!“
(*Bitte, bleiben sie stehen.)
Sie blieb irritiert stehen, als ihr bewusst wurde, dass eine dunkle Limousine
ihr im Schritttempo folgte, deren hinteres Fenster heruntergelassen war. Darin
entdeckte sie das Gesicht eines jungen Mannes, der sie mit einem belustigten
Grinsen bedachte.
„Sie sind
ganz schön schwer aufzutreiben, très chère*. Meine Leute haben Sie in
Paris knapp verpasst. Würden Sie vielleicht so freundlich sein und zu mir in
den Wagen steigen?“
(*Teuerste)
Sid
verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte ihn mit einem abweisenden
Blick.
„Das werde ich sicher nicht… Ich kenne Sie überhaupt nicht. Ich wüsste nicht,
was ich mit Ihnen zu besprechen hätte!“
Diesmal
blitzten seine makellosen Zähne in einem blendenden Lächeln auf und er beugte
sich
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