Eine Frau - Ein Bus
entstandene Brücke, die einen 67 Meter hohen Bogen bildet. Sie ist so breit, dass der Highway 11 direkt darüber führt. Da sie, gemeinsam mit den Niagara-Fällen, im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert als eines der Sieben Weltwunder der modernen Welt galt, zog sie massenweise Touristen an, die sogar aus Europa anreisten. Damals konnten sich die tapfersten unter ihnen in einem sechseckigen Stahlkäfig über die Kante hieven lassen, während ein Geigenspieler das Ganze musikalisch untermalte.
Na ja, damals hatten die Leute noch kein Fernsehen.
Wir fanden es jedoch aufregend genug, die Hälse zu recken und mit Ferngläsern die Stelle zu sehen, wo der junge George Washington laut Überlieferung 1750 seine Initialen in den Stein geritzt hat, als er im Auftrag von Lord Fairfax das Gelände besichtigte. (Ein ziemlich engagierter Umweltschützer, unser Landesvater. Geht einfach los
und hämmert auf eine unschuldige Gesteinsformation ein. Tolle Sache, George!)
Als Nächstes stand Monticello in der Nähe von Charlottesville, Virginia, auf dem Programm, das sich als Highlight unserer Reise für Tim entpuppte und ihm vollständige Begnadigung verschaffte, wenn nicht sogar zum ultimativen Sieg in unserem jahrelangen Thermostatkrieg verhalf. Denn genau dort, bei der Besichtigungstour der pompösen Residenz des dritten Präsidenten, erfuhren wir von Jeffersons »Feuer-Punkt«: jene Temperatur, bei der er gestattete, dass ein Feuer angezündet wurde. 12 Grad Celsius. Während ich missmutig die Stirn runzelte, schlug mein normalerweise reservierter Ehemann vor Begeisterung mit dem Museumsführer ab. »Jefferson ist mein Mann!«, verkündete er.
In Monticello gibt es eine Menge wunderbarer Schöpfungen des großen Erfinders zu bestaunen. Unser Lieblingsstück war die so genannte Great Clock in der Eingangshalle, die von Gewichten in der Größe von Kanonenkugeln links und rechts der Tür betrieben wird, auf der vertikal von oben bis unten die Wochentage aufgelistet sind. Am Ende ging Jefferson der Platz aus, deshalb ließ er ein Loch in den Boden bohren, so dass sich der Samstag im Untergeschoss befindet. Das Gründervater-Gegenstück zu schmear .
Wir ließen Virginia hinter uns und bekamen eine Lektion in Nachbarschaftdasein, als wir über Nacht vor einem Wal-Mart in Richmond parkten. Eine Frau in den Sechzigern mit einem Labradormischling blieb neben dem Bus stehen. Auch sie »campe« hier, erklärte sie. In ihrem Van.
»Übernachten Sie immer vor Wal-Mart?«, fragte sie. Wir zögerten. »Keine Sorge. Alle machen das«, beschwichtigte
sie uns. Und sie hatte Recht. Als wir zu Bett gingen, standen sechs weitere Busse in unserer neuen, tollen Nachbarschaft. Als wir am nächsten Morgen vom Einkaufen zurückkamen, hörten wir das Grollen unseres Generators über den gesamten Parkplatz.
»Jetzt verstehe ich, wieso die den Leuten nicht erlauben, die Dinger auf den Campingplätzen laufen zu lassen«, sagte ich und fragte mich laut, wieso wir keines der anderen Geräte hören konnten, schließlich war es ziemlich frisch an diesem Morgen. Tim erklärte, die anderen würden ihre Heizung über die Bus-Batterie betreiben. »Die lassen nicht das Internet, die Stereo-Suround-Anlage, den Geschirrspüler und die Waschmaschine laufen«, fügte er spitz hinzu.
»Oh«, gab ich zurück, »sie lieben eben das einfache Leben.«
Er schüttelte den Kopf. »Findest du es nicht ziemlich schräg, in einem Luxusheim neben einem Wal-Mart zu wohnen?«
Ich dachte einen Moment lang darüber nach. »Nein, eigentlich nicht.« Ich schätze, nachdem ich mich einmal mit dem Gedanken angefreundet hatte, in einem Bus zu leben, und es dann tatsächlich tat, konnte mich in meiner kleinen Welt nichts mehr erschüttern. Erst am Vorabend hatten wir einen Angestellten von Wal-Mart, der die Einkaufswagen zusammenschob, als Elvis-Imitator verkleidet gesehen. Selbst seine reflektierende Weste empfand ich nicht als gänzlich deplatziert.
Als wir den Bundesstaat hinter uns ließen, zog ich Mr. Straßenatlas zu Rate und fragte mich, wieso Virginia Virginia und nicht East Virginia hieß. Schließlich waren wir durch West Virginia gefahren, um nach Virginia zu gelangen,
und befanden uns nun auf dem Weg durch seine südlichen Nachbarn North und South Carolina. Und wir waren bereits in North und South Dakota gewesen, deshalb fand ich es verwirrend, dass Virginia nur Virginia hieß. Tim seufzte, während ich mich über dieses (offenbar nur für mich) faszinierende
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