Eine Frau - Ein Bus
Spritzer Sweet’n’sour
Ein Spritzer Limonensaft
Glasrand zuckern, um Lippenschürzfaktor möglichst niedrig zu halten. Zutaten in einen Mixer geben. Und weg damit.
D en ganzen Herbst über, als wir weiter und weiter in den Süden kamen, erinnerte ich Tim an das Versprechen, das er mir vor Beginn unserer Reise gegeben hatte - der jämmerliche Versuch, mir die Bus-Geschichte ein klein wenig schmackhaft zu machen: Wir würden während der gesamten Reise keinen Schnee zu Gesicht bekommen. Tim, der spürte, dass bereits ein kleiner Temperaturabfall an einem sonnigen Tag meinem Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Reise neue Nahrung gab, legte sich mächtig ins Zeug, sein Versprechen zu halten. Und damit nicht genug: Er
schlug sogar einen zweiwöchigen Aufenthalt an der Küste South Carolinas vor. (Wegen des Wintereinbruchs hatten wir Kentucky ausgelassen. Und der einzige Kontinental-Bundesstaat, den wir während dieses Jahres nicht besuchten, war Rhode Island. Wir hatten ihn einfach verpasst.)
Wir fanden einen Campingplatz direkt am Strand von Myrtle Beach, wo wir uns ins Getümmel stürzten und täglich Spaziergänge am Meer machten. Alle, und ich meine damit alle , waren mit dem Fischfang beschäftigt: Möwen stürzten herab und verschwanden platschend im Wasser; Wasserläufer flitzten wie Kakerlaken auf Stelzen umher und versuchten, den Wellen auszuweichen; Tümmler tanzten wie Mitglieder eines Wasserballetts in den Fluten und jagten nach Barschen; Pelikane glitten über die Wasseroberfläche, vollkommen reglos, bis sie ihre Beute entdeckten und ein paar Flügelschläge machten.
Die Pelikane mochte ich am liebsten. Und als ich den Strand nach ihnen absuchte, musste ich widerstrebend zugeben, dass ich doch eine gewisse Schwäche für etwas in der »tollen« Natur entwickelt hatte. Die Vögel sahen so gar nicht danach aus, als könnten sie sich in die Lüfte erheben, und wenn sie es erst einmal getan hatten, schien es reichlich unwahrscheinlich, dass sie lange dort oben bleiben würden. Ich kreischte vor Entzücken, wenn sie landeten - wild flatternd, die Füße nach vorn ausgestreckt und mit zurückgezogenem Hals, als wappneten sie sich für einen wüsten Aufprall. Man musste kein Freud sein, um zu ahnen, dass ich mich mit den armen Kerlchen identifizierte - ich als Bus-Phobikerin konnte wenigstens mühelos (und halbwegs würdevoll) jederzeit aussteigen. Aber was tat ein Vogel, der Angst vor der Landung hatte?
Besonders erstaunlich war, dass ich den Pelikanen so
gern zusah, obwohl ich früher nie sonderlich viel für Vögel übrig hatte. Tatsache war - bei mindestens einer Gelegenheit habe ich mich sogar vor ihnen gefürchtet.
Während irgendwelcher Arbeiten am Haus, die auch die Reparatur des Daches umfassten, gab es eine Phase, in der der Giebel offen stand, was offensichtlich eine Einladung an alle möglichen ungebetenen Gäste darstellte. Ich entdeckte sie an einem Samstag, als ich ins Wohnzimmer kam: Zwei riesige, wütende bedrohliche Flugmaschinen (die Tim später als »Spatzen« identifizierte) flatterten herum und warfen sich ununterbrochen gegen die Fensterscheiben, als Versuch, aus dem Haus zu kommen. Ich dachte ernsthaft darüber nach, ihrem Beispiel zu folgen, dabei weiß ich gar nicht, weshalb sie mir solche Angst einjagten. Vielleicht weil ich fürchtete, meine Welt könnte endgültig aus den Fugen geraten: Dies war ein eindeutiger Verstoß gegen den fragilen Waffenstillstand, den ich mein ganzes Leben mit der Natur gehalten hatte. Wenn Mutter Natur es jetzt als passend betrachtete, unsere Vereinbarung über Bord zu werfen, indem sie meine Privatsphäre verletzte, welche anderen Katastrophen hielt sie dann noch für mich bereit? Gartenarbeit?
Mein erster Impuls war zu schreien. Ich war schon immer davon überzeugt, dass man seinen tiefsten inneren Bedürfnissen folgen sollte, und dies war gewiss nicht der richtige Augenblick, um meine Philosophie über Bord zu werfen. Ich gab meinem Instinkt voller Hingabe und über eine beachtliche Zeitspanne nach. Tim war bei der Arbeit im Krankenhaus, so dass niemand in Hörweite war - trotz meines Organs. Wenn eine Prinzessin in ihrem Schloss schreit und niemand da ist, der sie hören kann, schreit sie dann überhaupt? Da ich mir nicht sicher war, rief ich
meinen Mann an. Zufällig saß er gerade in einem kleinen Behandlungszimmer bei einem Erstgespräch mit einem Teenager und ging an den Apparat.
»Hi. Ich bin gerade mit einem Patienten fertig. Kann ich
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