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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doreen Orion
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Feuerwehrkommando war bereits vor Ort und entfernte das Öl und Gott weiß was noch alles von der Fahrbahn. Wir sahen auf den Kilometerzähler und konnten es kaum fassen: Der Verkehr staute sich bereits über zehn Meilen, und noch war kein Ende der Aufräumarbeiten in Sicht.
    Während erst das Busfahren den Straßenrowdy in Tim zum Vorschein gebracht hatte, war meine Auto-Aggression schon immer da gewesen, ob im Wagen oder im Bus, ob als Fahrerin oder auf dem Beifahrersitz. Ich musste noch nicht einmal unmittelbar betroffen sein. Allein der Anblick eines zu dicht auffahrenden Autos trieb mich in den Irrsinn. Und, Gott bewahre, wenn ich in einen Stau geriet. Ich nahm lieber einen einstündigen Umweg in Kauf, als fünf unerträgliche Minuten im Stau zu stehen. Vielleicht bin ich auch nur neidisch, mit welcher Muße die Leute um mich so etwas ertragen.
    Dies war der schlimmste Verkehrsstau, den ich je gesehen hatte, deshalb machte ich es mir zur Aufgabe, so viele entgegenkommende Fahrzeuge wie möglich zu warnen. Zum allerersten Mal drehte ich den CB-Funk auf, fast genau sechs Monate nach Beginn unserer Reise, und begann, an den Instrumenten herumzufummeln. Leider erntete ich kaum mehr als statisches Rauschen.
    »Dreh auf Kanal neunzehn«, sagte Tim. Eine Hand über dem Knopf, warf ich ihm einen zweifelnden Blick zu. Er hatte doch noch nie ein CB-Funkgerät besessen. Doch ich gehorchte, und siehe da, die Stimmen unzähliger Lastwagenfahrer im Umkreis mehrerer Meilen drangen laut und deutlich durch den Äther.
    »Woher zum Teufel kennst du dich mit so etwas aus?«,
fragte ich ungläubig. Er lächelte nur und gab mir eine neuerliche Variante seiner Standardantwort, die ein Achselzucken und das Wort »jeder« miteinschloss.
    Die Trucker warnten einander bereits, also hörte ich nur zu. Tim wollte sowieso nicht, dass ich etwas sagte. Er hatte Angst, ich könnte mich als Besserwisserin aufspielen und dafür sorgen, dass wir an der nächsten Raststätte dem Tod entgegensahen (manchmal musste er anhalten, um pinkeln zu gehen). Doch die Fünfachser-Seifenopern, die sich da abspielten, waren einfach hinreißend: beginnende Romanzen zwischen zwei Fahrern, Sünder, die in ihren mobilen Beichtstühlen nach Absolution lechzten, Litaneien faszinierender Familienzankereien.
    »Ich will reden«, informierte ich Tim.
    »Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte er. Ich versuchte zwar, ihn zu ignorieren, konnte jedoch nicht widerstehen, ihm zu sagen, wie mein Spitzname lauten würde: Prevost Princess.
    »Wir bleiben inkognito«, befahl er und verbot mir strengstens, das Mikro auch nur anzufassen. Meine Güte.
    Während das Herumspielen am CB eine nette Abwechslung darstellte, verschlimmerte sich meine Bus-Phobie etwa fünfzig Meilen hinter Texarkana, als es wie aus Eimern zu schütten begann. Um meine Augen von der Straße zu lösen, versuchte ich zu lesen.
    »SCHEISSE!«, schrie Tim. Inzwischen hatte ich ihm antrainiert, keine Schimpfworte zu benutzen, um seinen fahrtechnischen Aggressionen Ausdruck zu verleihen oder irgendwelche Bagatellen zu kommentieren, deshalb wusste ich, dass etwas Schlimmes passiert war, noch bevor mein Kopf hochschnellte. Dann sah ich es: Einer unserer Scheibenwischer klemmte.

    Tim wollte den Scheibenwischer nicht angeschaltet lassen, weil er befürchtete, der Motor könnte heißlaufen, so dass wir am Ende überhaupt keine mehr hätten. (Wieso ein einzelner Scheibenwischer den Motor eher heiß laufen lassen sollte als zwei, war mir ein Rätsel, aber das erklärte er mir später bereitwillig in nervtötenden Details.) Er bog an der nächsten Ausfahrt ab und fuhr an den Straßenrand. Ich sah zu, wie er im strömenden Regen mit dem Scheibenwischer herumhantierte, ehe er etwas aus der Gepäckluke holte. Als er zurückkam, hatte er den Schraubenschlüssel in der Hand. Allround-Freak auf Rettungsmission. Er fummelte noch eine Weile herum, dann trat er zurück und begutachtete sein Werk, ehe er mir bedeutete, den Scheibenwischer anzuschalten. Sonst noch etwas.
    »Ich habe dir das Fahren überlassen, schon vergessen?« Er verdrehte die Augen, trat auf die Fahrerseite, öffnete das Seitenfenster und schaltete den Scheibenwischer selber ein. Der Mechanismus befand sich am selben Dingsbums wie das Licht - genauso wie im Auto. Wer hätte das gedacht? Als er wieder einstieg, beging ich den Fehler, ihn zu fragen, was los gewesen sei.
    »Na ja, die Flügelschraube muss sich irgendwann gelöst haben und abgefallen sein. Sie

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