Eine Frau flieht vor einer Nachricht
rauchen. Was er will. Das ist ganz frei.
Rauchst du auch? Sie lacht etwas nervös, zwar sieht man das Fort nicht mehr, aber sie hat den Eindruck, dass sie plötzlich rennen, dass der Weg sie zu schnell nach Jerusalem zieht, nach Hause, zu der Nachricht, die dort vielleicht mit der Ausdauer eines Attentäters auf sie wartet.
Ich komme zurück, stellt sie sich plötzlich vor, und sehe schon die Todesanzeigen an den Hauswänden. An den Strommasten. An der Anschlagtafel beim Lebensmittelladen. Schon von weitem werde ich es wissen!
Nun sag schon, drängt sie Avram, das möcht ich hören!
Nicht viel und auch nichts Starkes, vor allem Joints. Seine Hand klopft aus Gewohnheit gegen seine Brust, auf die nicht existierende Hemdtasche.
Manchmal ein Piece, Ecstasy, oder Tickets, wenn’s welche gibt, nichts Hartes. Er schaut sie liebevoll an: Und du, hältst du dich noch an die Gebote der Pfadfinder?
Der Machanot Olim , korrigiert sie, vergiss es. Ich habe bloß Angst vor solchen Sachen.
Ora, du rennst schon wieder.
Ich? Das bist doch du.
Plötzlich hast du solche Anwandlungen, er lacht, da rennst du los, als wär weiß Gott was hinter dir her.
Zu ihrer Linken liegt das Hulatal in immer mehr Dämpfe gehüllt, je wärmer es wird. Ihre Gesichter röten sich, glühen vor Anstrengung und Hitze, der Schweiß läuft ihnen herunter, sogar das Reden ermüdet sie. Am Wegrand, am Fuße eines alten Olivenbaums, liegt ein riesiger Kronleuchter, ein prächtiger Lüster mit einundzwanzig Kristalltellerchen, Avram zählt sie mit dem Finger, alle unversehrt, durch feine, farbenfrohe Glasröhrchen miteinander zu einer Kugelform verbunden. Wer den wohl weggeworfen hat, wundert er sich, wer wirft denn so was weg? Schade, dass man den nicht mitnehmen kann. Er hockt sich hin und inspiziert ihn aus der Nähe. Gute Qualität. Den Kopf schief gelegt, lacht er leise, und Oras hochgezogene Augenbrauen fragen, worüber, und er sagt, schau her, woran erinnert er dich? Sie schaut ihn lange an, kommt aber nicht drauf, und er sagt: wie eine beleidigte Tänzerin, nicht, so eine beleidigte Primadonna? Ora lächelt, stimmt, und Avram steht auf: Die strahlt doch richtig in ihrem Beleidigtsein, oder? Wahnsinn.
Ora lacht herzlich. Ein vergessenes Strahlen stiehlt sich in ihre Augenwinkel.
Und Ofer, fragt er später, nimmt der was?
Keine Ahnung. Wie kann man in diesem Alter etwas über die Kids wissen. Adam, glaub ich, der schon, ab und zu mal, ja.
Vielleicht auch oft, immer, denkt sie, wie könnte es anders sein, bei den Leuten, mit denen er rumhängt, bei seinen immer entzündeten Augen und dieser kaputten Musik, die jeden kaputtmacht. Mein Gott, seufzt sie, wenn ich mich reden hör! Wann hat mich das Alter so angefallen?
Schade, dass du bei der Entführung nicht ein bisschen Gras aus meiner Wohnung mitgenommen hast, dann könntest du jetzt sehen, wie gut das ist.
Hast du immer was da? Sie versucht, ihre Stimme flach und aufgeklärt zu halten und fühlt sich wie eine Kontaktbereichsbeamtin, die einen Obdachlosen interviewt.
Eigenbedarf, was hast du denn, das zieh ich in den Blumenkästen zwischen den Petunien.
Fehlt es dir jetzt?
Sagen wir so, vor allem in den ersten Tagen hätte es mir gut getan.
Und jetzt?
Jetzt bin ich okay, sagt er, selbst erstaunt, jetzt brauch ich nichts.
Wirklich nicht? Ihr Gesicht leuchtet, ihre Brille funkelt freudig.
Aber wenn’s was gäbe, ergänzt er eilig, um sie da wieder runterzuholen – für einen Moment sah sie aus, als wäre ihr ein Programm zum wundersam schnellen Entzug mit ihren Jugendlichen gelungen – wenn’s was gäbe, würd ich’s durchaus nicht ablehnen.
Wie weit wir uns entfernt haben, denkt sie. Ein ganzes Leben trennt uns voneinander. Wieder stellt sie sich Avram in seinem Restaurant vor, wie er zwischen den niedrigen Tischen rumläuft, Reste abräumt, mit den Gästen flachst und sich gutgelaunt ihre Späße gefallen lässt. Sie hofft, dass sie sich da nicht über ihn lustig machen, diese jungen Leute. Dass sie ihn nicht als übertrieben empfinden. Sie versucht, sich selbst dort zu sehen.
Am Eingang zieht man die Schuhe aus, erklärt er, so als leite er sie aus der Ferne an.
Sie setzt sich auf die Kissen, die sind nicht bequem; sie sitzt zu aufrecht, weiß nicht, wohin mit den Händen, lächelt in die Runde wie der welterfahrene Kolonialist, der den Eingeborenen eine Geste der Barmherzigkeit zukommen lässt. Ihre Verlogenheit umschattet sie. Sie fragt sich, ob sie mit Avram leben könnte,
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