Eine Frau flieht vor einer Nachricht
entschuldigte sich immer wieder für ihre Geheimnistuerei, es sei eben noch ein Geheimnis, sagte sie lächelnd und hinterließ eine ganze Schar besorgter Freundinnen, die sich sofort gegenseitig anriefen, die Sache von allen Seiten beleuchteten und versuchten herauszubekommen, was mit Ora los war; sie hatte bei ihnen plötzlich auch einige pikante Vermutungen über wilde Abenteuer ausgelöst, allem Anschein nach im Ausland, und bei einigen, da sie sich in ihrer neuen Situation so frei benahm wie ein Vogel, auch ein bisschen Neid geweckt.
Danach rief sie diesen Typ an, zu Hause rief sie ihn an, obwohl es Familienzeit war, trotz seines ausdrücklichen Verbotes, und fragte ihn noch nicht einmal, ob er sprechen könne, ignorierte sein wütendes und erschrecktes Schnauben, teilte ihm mit, sie werde einen ganzen Monat nicht da sein, und wenn sie zurück sei, könne man ja weitersehen; dann legte sie auf und genoss noch einen Moment sein halb ersticktes Flüstern. Danach sprach sie eine Nachricht auf ihren Anrufbeantworter, Schalom, hier ist Ora, ich bin vermutlich bis Ende April unterwegs, bitte keine Nachrichten hinterlassen, Schalom und auf Wiedersehen. Sie fand, ihre Stimme klang angespannt und zu ernst, nicht wie von einer Frau, die zu einem geheimnisvollen und vielversprechenden Urlaub aufbricht, deshalb versuchte sie es ein zweites Mal, jetzt mit dem Jauchzen einer Skifahrerin oder Bungee-Springerin in der Stimme, und hoffte, Ilan würde diese Nachricht hören, wenn er endlich von der Lage hier erfahren und anrufen würde, um zu wissen, was mit Ofer sei, eifersüchtig würde er werden und staunen, was fürein tolles Leben sie jetzt führte, aber dann dachte sie, es könnte auch sein, dass Ofer anruft, und so eine Stimme würde ihm einen Stich versetzen, und so nahm sie sich ein drittes Mal auf, in einem offiziellen Ton mit möglichst wenigen Nuancen, doch ihre ungeschützte, immer etwas staunende Stimme ließ sie im Stich, und sie spielte die Aufnahme ab, hörte das Zittern der Anstrengung und wusste, Ilan wie auch Ofer und wohl jeder, der anrief, würde ihre Anspannung sofort bemerken, und sie ärgerte sich über sich selbst und darüber, was sie in diesem Moment beschäftigte, und wählte automatisch Samis Nummer.
Nachdem sie sich am Brigadentreffpunkt von Ofer verabschiedet hatte, war sie ins Taxi gestiegen, hatte sich neben Sami gesetzt und sich sofort für ihre empörende Dummheit entschuldigt, ihn für diese Fahrt bestellt zu haben. Mit schlichten Worten beschrieb sie ihm, in was für einer Situation sie sich morgens, als sie ihn angerufen hatte, befunden habe, und im Grunde den ganzen Tag über. Sami fuhr, und sie redete, bis sie all ihren Kummer abgeladen hatte. Er schwieg, wandte ihr den Kopf nicht zu. Sie war von seinem Schweigen etwas überrascht und sagte, am liebsten würde ich jetzt laut schreien, dass wir beide, du und ich, überhaupt in so eine Situation geraten sind. Und er drückte, ohne mit der Wimper zu zucken, auf den Knopf, ließ ihr Fenster runter und sagte, hier, schrei. Für einen Moment war sie verlegen, aber dann streckte sie den Kopf hinaus und schrie, bis ihr schwindlig wurde, lehnte sich dann zurück und fing an, erleichtert zu lachen. Danach schaute sie ihn an, ihre Augen tränten vom Wind, und ihr Hals rötete sich. Und du, willst du nicht auch schreien? fragte sie, und er sagte, glaub mir, es ist besser, wenn nicht.
Den Rest der Fahrt hatte er vorgebeugt dagesessen, sich aufs Fahren konzentriert und geschwiegen, und sie beschloss, ihn nicht noch weiter zu nerven, und war so müde, dass sie, ohne es zu merken, einschlief und wie ein Baby neben ihm schlummerte, bis sie vor ihrem Haus ankamen. Seitdem war sie das Gespräch schon mehrere Male durchgegangen, wenn man es ein Gespräch nennen konnte, denn er hatte doch kaum etwas gesagt, gestand sie sich schließlich ein, hatte einfach dagesessen und geschwiegen, und trotzdem, sagte sie sich, habe sie richtig gehandelt, obgleich er geschwiegen habe, im Grunde habe sie doch auch für ihn gesprochen, habe bei diesem kleinen Zwischenfall getreuauch seine Seite vertreten und sich selbst nichts durchgehen lassen, und als Sami zum Schluss den Wagen vor ihrem Haus angehalten hatte, da hatte sie, ohne ihn anzuschauen, gesagt, jetzt, nach diesem Tag, stehe sie in seiner Schuld, sie schulde ihm einen großen Gefallen, etwas jenseits aller Abrechnungen, und in ihrem aufgeregten Vogelherzen dachte sie an eine gute Tat, etwas in der Größenordnung
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