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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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machen.
    In unserer Küche wartete schon, aufrecht wie eine Schildwache, das Kind Wanja, sein Automatengewehr in Bereitschaft. Mit hundetreuem Blick erbot er sich zum Kellergeleit. Wieder Abstieg in das Dunkel. Im Hinterflur lagen noch etliche Russen herum und pennten in den Tag hinein, auf richtigem Bettzeug, das sie sich irgendwo zusammengelesen haben. Im Winkel unter der Wendeltreppe lag uns einer im Weg, von dem eine Lache ausging. Brummend rückte er auf Wanjas Fußtritte hin beiseite. Wanja mit seinen sechzehn Jahren ist bereits Sergeant und hält auf seinen Rang. Andrej hat mir erzählt, daß er als junger Fremdarbeiter auf einem ostpreußischen Gut gearbeitet hat und sich den kämpfend vordringenden russischen Truppen anschloß, worauf er dank irgendwelcher Heldentaten rasch die Rangleiter hinaufklomm.
    Im Hauskeller tasteten wir herum, suchten nach den Sachen der Witwe. Sachen, die ich nicht kenne und die die Witwe gar nicht mehr so genau kennen wollte, denn sie nahm und griff sich, was immer ihr brauchbar erschien. Beim matten Licht aus den Oberlichtfenstern, unterstützt von Wanjas Stablampe, sammelten wir Kartoffeln und Zwiebeln und nahmen von einem Bord heil gebliebene Gläser mit Eingemachtem herunter.
    Ein Kerl näherte sich, Schlitzaugen, machte schweinische Redensarten, mit deutschen Wörtern untermischt. Wanja darauf, an dem Kerl vorbei, in die Luft hinein: »Schon gut, genügt.« Und der Schlitzäugige trollte sich.
    Mittagessen. Noch haben wir alles reichlich. Im Vergleich zu den mageren Mahlzeiten meiner einsamen Wirtschaft oben in der Dachwohnung führe ich jetzt ein fettes Leben. Keine Brennesseln mehr, dafür Fleisch, Speck, Butter, Erbsen, Zwiebeln, Gemüsekonserven. Herr Pauli futtert auf seinem Schmerzenslager wie ein Scheunendrescher. Bloß bei dem Birnenkompott fing er an zu schimpfen und zog sich einen langen, scharfen Glassplitter aus den Zähnen. Auch ich holte mir einen scharfen Zacken aus dem Mund. Das Kompottglas gehörte zu unserer Keller-Ausbeute, war zerbrochen gewesen.
    Immer noch Krieg draußen. Und unser neues Morgen- und Abendgebet: »Dies alles verdanken wir dem Führer.« Ein Satz, der in den Friedensjahren tausendmal als Lob und Dank auf Plakate gemalt, in Reden ausgesprochen wurde. Nun schlägt er, unverändert im Wortlaut, in seinem Inhalt um, wird zu Hohn und Spott. Ich glaube, sowas nennt man eine dialektische Umkehrung.
    Stiller Nachmittag. Anatol war mit seinen Mannen unterwegs. Es heißt, sie besprechen eine Feier für den 1. Mai. Wir bangen vor diesem Feiertag. Alle Russen, so heißt es, bekommen dann Schnaps zugeteilt.
    Kein Anatol. Statt seiner erschien spät abends gegen 21 Uhr ein kleiner Kerl, schon älter, pockennarbig, mit zerschlitzten Wangen. Herzklopfen. Solch wüstes Gesicht!
    Doch erstaunlich gute, beflissene Manieren und überaus gewählte Redeweise. Der erste Soldat auch, der mich »Graschdanka« nennt, »Bürgerin« – die russische Anrede für fremde Frauen, die man nicht »Genossin« titulieren kann. Er stellte sich vor als der neue Adjutant von Anatol, der von diesem beauftragt sei, ihn für das Abendbrot anzumelden und das Nötige dafür heranzubringen. Dies alles draußen vor der Vordertür, während ich noch die Kette vorgelegt hielt.
    Ich ließ ihn ein, bot ihm einen Stuhl an. Er war offenbar begierig, sich in ein Gespräch mit mir einzulassen. Gewiß weiß er, wie wenig Vertrauen sein Gesicht einflößt, und ist deshalb doppelt bemüht, auf andere Art zu gefallen. Er berichtete, daß er im Kaukasus zu Hause sei, in einer Gegend, die auch Puschkin besucht und wo er manche Anregung für sein Werk gewonnen habe. Ich verstand nicht alles, er drückte sich gebildet aus, formte lange, umständliche Sätze. Immerhin konnte ich auf das Stichwort »Puschkin« hin einige Titel nennen, so den Boris Godunow und den Postmeister. Ich erzählte ihm, daß dieser Postmeister vor ein paar Jahren in Deutschland verfilmt worden sei, was ihn sichtlich freute. Kurz, das reine Salongeplauder, sehr wunderlich. Ich kenne mich mit diesen Burschen nicht aus, bin immer aufs neue überrascht, womit sie uns überraschen.
    Plötzlich in der Küche Lärm und Männerstimmen. Etwa Anatol? Der kleine Kaukasier meint, nein, geht aber sofort mit mir in die Küche, aus der soeben mit allen Zeichen des Schreckens die Witwe geflüchtet kommt, schreiend:
    »Vorsicht, der Petka!«
    Petka? Herrgott, ja, den gibt es auch noch. Petka mit dem Bürstenhaar und den Holzfällerpratzen, die

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