Eine ganz andere Geschichte
Laufe der Nacht neue Ideen gekommen sind?«, wollte Tallin wissen. Das hatte er bereits beim Frühstück gefragt, aber irgendetwas ist mit Tallin geschehen, dachte Barbarotti. Seit sie in der Bretagne angekommen waren, schien ihm die Luft ausgegangen zu sein, das hatte Barbarotti bereits am gestrigen Tag bemerkt, und offensichtlich verhielt es sich auch heute so. Als hätte er Zahnschmerzen oder gerade sein gesamtes Gespartes beim Poker verloren.
»Nein, wie schon gesagt«, erklärte Carina Morelius und schenkte Kaffee ein. »Aber ich betrachte mich in diesem Fall auch eher als Zuschauerin. Und Dolmetscherin natürlich. Ihr seid jetzt fast einen Monat am Fall dran, nicht wahr? War es nicht der 25. an dem es angefangen hat?«
»Der 24. oder der 31.«, sagte Barbarotti. »Das liegt ein bisschen daran, wie man rechnet.«
»Neue Ideen?«, wiederholte Tallin unverdrossen.
»Ja, was soll man sagen?«, begann Barbarotti. »Wir haben ja wohl bestätigt bekommen, dass der sechste Mann tatsächlich bei Erik Berg-man gewohnt hat … und dass er die Person auf dem Foto ist. Oder? Das sollte eigentlich ein Durchbruch sein, aber ich habe etwas Probleme zu glauben, dass dem wirklich so ist.«
»Hast du Zweifel daran, dass es stimmt?«, fragte Tallin.
»Nein«, antwortete Barbarotti. »Eigentlich nicht. Nun ja, wir werden sehen, wie es heute Nachmittag läuft, aber wenn das Mädchen und ihre Großmutter nicht irgendwo in Frankreich vermisst gemeldet wurden, dann stellt sich die ganze Geschichte als … als ziemlich kompliziert dar. Zumindest in meinen Augen.«
»In meinen auch«, stimmte Tallin zu. »Verdammt, ich arbeite jetzt mehr als dreißig Jahre auf diesem Gebiet, und ich kann mich nicht erinnern, so etwas schon einmal erlebt zu haben.«
»Das mit dem Akzent der Großmutter«, sagte Barbarotti nach einigen Sekunden des Schweigens, »und auch des Mädchens … ich möchte ja eigentlich gar nicht daran denken, aber wenn sie wirklich aus einem anderen Land stammten, ja, dann erweitert sich unsere Perspektive wohl ziemlich.«
»Ich weiß«, seufzte Tallin. »Nein, ich bin deiner Meinung. Lass uns im Augenblick diese Alternative erst einmal vergessen.«
»Wie läuft es mit dem Phantombild zu Hause?«, fragte Morelius. »Sind neue Informationen eingetrudelt?«
»Über fünfhundert stehen auf der Liste«, konstatierte Tallin. »Aber um ein Phantombild handelt es sich ja eigentlich nicht. Es ist ein richtiges Foto.«
»Entschuldige«, sagte Morelius.
»Macht nichts«, sagte Tallin. »Auf jeden Fall werden sämtliche Tipps überprüft und nach Wahrscheinlichkeit sortiert. Gruppe eins, zwei und drei. In der eins, mit der größten Wahrscheinlichkeit, hatten sie heute Morgen fünfundvierzig Namen. Nach der Mittagspause werden sie mit den Befragungen anfangen. Ja, wenn wir Glück haben, gelingt uns auf diesem Weg der Durchbruch. Unabhängig davon, was der Frankreichtrip bringt.«
»Es ist nicht viel nötig, um ein Alibi zu haben, nicht wahr?«, fragte Inspektorin Morelius.
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte Barbarotti. »Abgesehen von dem Sommer 2002 musst du die Möglichkeit gehabt haben, in den letzten Monaten an vier verschiedenen Tatorten in Schweden gewesen zu sein. Unter anderem an Bord der Fähre nach Dänemark genau in der betreffenden Nacht … ja, wenn wir einen armen Teufel finden, dem das Alibi für alle diese Termine fehlt, dann sieht es ziemlich schlecht für ihn aus.«
»Und er auch noch aussieht wie der Typ auf dem Foto?«
»Das auch noch, ja.«
»Aber dieser Charmebolzen Masson schien ja zumindest ziemlich glaubwürdig zu sein, oder?«, fragte Morelius lächelnd.
»Doch, den Eindruck hatte ich auch«, bestätigte Barbarotti. »Aber er hatte natürlich nicht so viele, unter denen er wählen konnte. Wir hätten die Identifizierung vielleicht etwas besser vorbereiten sollen?«
»Warum denn das?«, fragte Tallin irritiert. »Glaubst du, dass er Kronzeuge im Prozess wird, oder wieso?«
Was ist nur mit ihm los?, dachte Barbarotti. Er verliert seinen Stil, der Tallin.
»Ich muss mal telefonieren«, log er. »Wir sehen uns in einer Stunde unten an der Rezeption, ja?«
»Ich auch«, erklärte Inspektorin Morelius, und gemeinsam verließen sie Tallins Zimmer.
»Scheint schlecht gelaunt zu sein«, sagte sie, als sie auf dem Flur standen. »Dein Freund, der Kommissar, meine ich.«
»Ja«, bestätigte Barbarotti. »Aber ich kenne ihn eigentlich nicht. Er kommt aus der Zentrale.«
»Ich
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