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Eine ganz andere Geschichte

Eine ganz andere Geschichte

Titel: Eine ganz andere Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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schöpfen.
    Oder war es gar nicht so kompliziert, wenn man alles bedachte?
    Er hatte sich gezwungen gefühlt, Rache zu üben, um seine Ehre wiederherzustellen, und er hatte sich gezwungen gefühlt, das zu erklären. Genau wie er schrieb. Konnte man sich nicht mit dieser Erklärung zufriedengeben?
    Sein Handy klingelte. Er zuckte zusammen, zog das Telefon aus der Brusttasche und meldete sich.
    »Hallo, Papa! Hier ist Lars.«
    »Hallo, Lars!«
    »Was machst du?«
    Eine Sekunde lang entspann sich eine mögliche Fortsetzung des Gesprächs in seinem Kopf. Wenn man bei der Wahrheit bleiben wollte.
    »Ich bin in Frankreich, Lars.«
    »Was machst du da?«
    »Ich stehe auf einem Rasenstück und schaue mir einen Fleck an.«
    »Was für einen Fleck?«
    »Den Fleck, auf dem vor fünf Jahren eine ermordete Frau gelegen hat.«
    »Und warum?«
    »Das weiß ich nicht, Lars.«
    »Warum hat man das gemacht? Ist sie jetzt weggebracht worden?«
    »Ja, natürlich. Jetzt scheint hier die Sonne, und alles ist friedlich.«
    Nein, die Wahrheit war nicht die richtige Medizin, wenn man mit seinen Kindern sprach.
    »Ich bin auf Reisen«, sagte er stattdessen. »Und was machen Martin und du?«
    »Wir sind gerade aus der Schule gekommen. Papa, wir wollen gern bei dir wohnen. Dürfen wir das?«
    »Aber natürlich dürft ihr das. Ich freue mich riesig, wenn ihr das tut, das wisst ihr doch wohl?«
    »Gut. Dann ist das abgemacht. Ich erzähle Mama und Martin, dass du dich riesig freust.«
    »Tu das«, sagte Barbarotti. »Und bitte Mama, dass sie mich anruft, damit wir besprechen können, wann ihr kommt und so.«
    »Prima, Papa«, sagte Lars und drückte das Gespräch weg.
    Das war's dann also, dachte Barbarotti. Mit Leben und Tod.
    Er steckte sein Handy ein und kehrte zur Terrasse zurück.
    Henri Masson traf einige Minuten nach fünf Uhr ein und brachte eine Flasche Cidre und einen bretonischen Kuchen mit, um seine weitgereisten Gäste zu beköstigen.
    Er war in den Siebzigern, trug einen Strohhut und einen Schnurrbart, der so verwegen war, dass man ihn ohne Probleme auch dann noch sehen konnte, wenn er einem den Rücken zukehrte.
    Aber er drehte ihnen nur den Rücken zu, als er die Pforte schloss und in den Briefkasten schaute. Ansonsten war er geradeheraus und liebenswert. Und bereit, sein Scherflein beizutragen. Leblanc hatte ihn in groben Zügen darüber informiert, worum es ging, und möglicherweise war es Leblanc, den er zitierte, nachdem er vier Gläser gefüllt hatte und einen Toast ausbrachte.
    »Pour la lutte contre la criminalité! Auf den Kampf gegen die Kriminalität!«
    Er konnte nicht ein Wort Englisch, entwickelte aber sofort eine Zuneigung für Inspektorin Morelius und hatte offenbar ein großes Vergnügen daran, alles von so einer reizenden und eleganten Frau übersetzt zu bekommen.
    »Nun gut«, sagte Tallin. »Es geht also um einen Schweden, der dieses Haus zwischen dem 27. Juni und dem 25. Juli 2002 gemietet hat. Er hieß Erik Bergman, hatte möglicherweise noch jemanden bei sich wohnen, und wir sind dankbar für alle Informationen, die wir bekommen können.«
    »Ich erinnere mich«, erklärte Henri Masson nicht ohne einen Hauch von Stolz. »Ich habe dieses Haus viele Jahre lang vermietet, seit den Siebzigern, aber der Sommer 2002 war der letzte. Ich hatte nach Monsieur Bergman nur noch einen Mieter.«
    Endlich, dachte Barbarotti, nachdem Morelius fertig übersetzt hatte, endlich haben wir ein kleines Licht in dieser sperrigen Finsternis.
    »Ich lasse meine Gäste natürlich immer in Ruhe«, fuhr Masson fort und zwirbelte seine Schnurrbartspitzen zwischen Daumen und Zeigefinger. »Aber ich komme immer einmal die Woche, um Gras zu mähen und die Mülltonne abzuholen. Meine Frau und ich, wir wohnen nämlich in Fouesnant.«
    »Warum haben Sie nach 2002 aufgehört, das Haus zu vermieten?«, fragte Barbarotti.
    »Ich habe im Lotto gewonnen«, erklärte Masson und sah noch stolzer aus. »Brauchte das Geld nicht mehr. Jetzt lass ich meine Kinder und ihre Familien hier wohnen. Gestern ist ein Trupp verschwunden, aber am Freitag kommt ein neuer Schwung. Ich habe fünf Kinder und dreizehn Enkelkinder, wenn sie nur hinterher sauber machen, ist es mir scheißegal, was sie hier veranstalten.«
    »Dieser Monsieur Bergman«, griff Tallin den Faden wieder auf, »an was können Sie sich in Bezug auf ihn noch erinnern?«
    Masson zuckte die Schultern. »An nicht besonders viel natürlich. Ich habe sie empfangen, als sie gekommen sind, ich habe sie

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