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Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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gelegentlich von seinem Kognak.
    »Eine schlimme Geschichte, jene Hinrichtung Gaspards, Madame! Ach, der arme Gaspard!« fügte er mit einem mitleidigen Seufzer bei.
    »Ei was«, entgegnete Madame leichthin und mit Kälte, »wenn die Leute in solcher Absicht zum Messer greifen, so müssen sie's eben büßen. Er wußte vorher, was ein solcher Luxus kostet, und hat den Preis dafür bezahlt.«
    »Ich glaube«, sagte der Spion, indem er seine Stimme zu einem Tone dämpfte, der zum Vertrauen einlud und in jedem Muskel seines boshaften Gesichtes eine gekränkte revolutionäre Empfindlichkeit ausdrückte, »ich glaube, im Hinblick auf den armen Schelm herrscht viel Teilnahme und Unwille in diesem Stadtteil. Ganz unter uns gesagt.«
    »Wirklich?« versetzte Madame, sich einfältig stellend.
    »Ist's nicht so?«
    »Da kommt mein Mann«, entgegnete Madame Defarge.
    Der Inhaber der Weinstube blieb unter der Tür stehen. Der Spion grüßte, indem er an seinen Hut langte und unter einschmeichelndem Lächeln den Wirt mit den Worten anredete:
    »Guten Tag, Jacques!«
    Defarge sah ihn mit großen Augen an.
    »Guten Tag, Jacques!« wiederholte der Spion mit etwas weniger Zuversicht oder mit einem weniger zutraulichen Lächeln unter dem Einfluß dieses Blickes.
    »Ihr seid im Irrtum, Herr«, versetzte der Inhaber der Weinstube, »und haltet mich wohl für einen andern. Ich heiße nicht so. Mein Name ist Ernest Defarge.«
    »Es kommt auf eins heraus«, sagte der Spion leichthin, obschon mit verbissenem Ärger. »Guten Tag.«
    »Guten Tag«, entgegnete Defarge trocken.
    »Ich sagte eben zu Madame, mit der ich mich bei Eurem Eintritt zu unterhalten das Vergnügen hatte, man erzähle sich – und es ist auch kein Wunder –, daß das unglückliche Schicksal des armen Gaspard viel Teilnahme und Unwillen in Saint Antoine geweckt habe.«
    »Gegen mich hat sich niemand in dieser Weise ausgesprochen«, sagte Defarge, den Kopf schüttelnd. »Ich weiß nichts davon.« Nach diesen Worten trat er hinter den kleinen Zahltisch, legte seine Hand auf die Lehne des Stuhles, in dem Madame saß, und blickte über diese Schranke nach dem ihnen jetzt gegenüberstehenden Menschen, dem er sowohl wie sie von ganzem Herzen eine Kugel ins Hirn gegönnt hätte.
    Der Spion, der sich auf sein Geschäft verstand, ließ sich in seiner nachlässigen Stellung nicht beirren, sondern trank sein Gläschen Kognak aus, nahm dann einen Schluck Wasser und bat um einen neuen Kognak. Madame Defarge bediente ihn, griff dann wieder zu ihrem Strickzeug und summte eine Arie vor sich hin.
    »Ihr scheint Euch in diesem Viertel gut auszukennen – das heißt, besser als ich«, bemerkte Monsieur Defarge.
    »Durchaus nicht, aber ich hoffe bekannt zu werden. Ich fühle eine tiefe Teilnahme für seine unglücklichen Bewohner.«
    »Soso!« murmelte Defarge.
    »Das Vergnügen, mich mit Euch zu unterhalten, Monsieur Defarge, erinnert mich daran«, fuhr der Spion fort, »daß ich die Ehre habe, Euren Namen mit interessanten Vorgängen der Vergangenheit in Verbindung bringen zu können.«
    »So?« versetzte Defarge gleichgültig.
    »Jawohl. Ich weiß, daß Ihr nach der Freilassung des Doktors Manette Euch als sein alter Diener seiner angenommen habt. Er wurde Euch übergeben. Ihr seht, daß ich von den Verhältnissen unterrichtet bin.«
    »Das scheint in der Tat der Fall zu sein«, sagte Defarge.
    Madame hatte ihm nämlich durch eine gelegentliche Berührung mit dem Ellenbogen, während sie im übrigen fortstrickte und trillerte, ihre Meinung angedeutet, daß er am besten tun werde, zu antworten, aber nur kurz.
    »Zu Euch kam auch seine Tochter«, fuhr der Spion fort, »die ihn Euch abnahm und mit ihm nach England zurückkehrte; sie wurde begleitet von einem sauber gekleideten braunen Herrn – wie hieß er doch? – er trug eine kleine Perücke – Lorry –, von der Bank Tellson & Compagnie.«
    »Ganz richtig«, erwiderte Defarge.
    »Sehr interessante Erinnerungen«, sagte der Spion. »Ich habe Doktor Manette und seine Tochter in England kennengelernt.«
    »So?« entgegnete Defarge.
    »Ihr hört wohl nicht mehr viel von ihnen?« fragte der Spion.
    »Nein«, antwortete Defarge.
    »Eigentlich nie«, fiel Madame ein, die ihr Summen einstellte und von ihrer Arbeit aufsah. »Wir erfuhren, daß sie gut in England angelangt waren, und erhielten noch einen oder vielleicht zwei Briefe; aber seitdem sind sie ihren eigenen Lebensweg gegangen und wir den unsrigen. Wir haben keine Korrespondenz

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