Eine Geschichte von Liebe und Feuer
schien die Linke im Weg zu stehen.
Im Februar 1945 hatte es den Anschein, als ginge ihr Wunsch endlich in Erfüllung. Im Varkiza-Abkommen versprach die ELAS , ihre Waffen abzugeben, wenn ihnen dafür Amnestie gewährt und eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung abgehalten würde. Einen kurzen Moment lang hofften Olga und Katerina inbrünstig auf die Rückkehr Dimitris und eine Aussöhnung mit seinem Vater.
Doch das Abkommen stellte sich bald als nutzlos heraus. Rechte Todesschwadronen und paramilitärische Gruppen lie fen Amok. Sie machten Jagd auf Kommunisten, und alle, die aufseiten der Linken gekämpft hatten, wurden erbarmungslos terrorisiert.
Diese Entwicklungen bildeten natürlich das Hauptthema am Tisch von Komninos, wenn er Gäste eingeladen hatte. Die Händler und Geschäftsleute in Thessaloniki wünschten sich nichts anderes als eine schnelle Rückkehr zu normalen Verhältnissen, denn die politischen Wirren standen ihren Profiten im Weg.
Pavlina lief emsig in der Küche hin und her und wartete, bis sie nach oben in den Speiseraum gehen konnte, um nach dem Hauptgang abzuräumen. Sobald die Unterhaltung nicht mehr im Klappern des Bestecks unterging, wusste sie, dass das Dessert serviert werden konnte.
Sie summte bei der Arbeit und trat ein wenig zurück, um das Ergebnis ihrer Anstrengungen bewundern zu können. Sie war sehr stolz auf ihre Erdbeertörtchen: eingeweckte Früchte mit einer Sirupglasur und darunter verborgen eine Schicht aus Schokoladencreme. Sie stäubte noch etwas Puderzucker darüber und stellte sie auf den Servierwagen, um sie aufzutragen.
Genau in dem Moment hörte sie die Türglocke. Es wurde kein Gast mehr erwartet, und halb elf Uhr abends war ohne hin keine angemessene Zeit für einen Besuch. Sie legte das Sieb zur Seite und ging zur Tür. Sie wusste, falls Olga die Glocke gehörte hatte, würde sie das Gleiche denken. War es Dimitri? Jeden Moment hofften sie auf seine Rückkehr, aber ihr Wunsch war immer mit der ängstlichen Frage verbunden, welche Folgen sein Auftauchen haben würde.
Vorsichtig öffnete sie die Tür und spähte auf die spärlich beleuchtete StraÃe hinaus.
»Pavlina!«, flüsterte eine Stimme aus den Schatten. »Ich binâs.«
23
P avlina trat auf die Schwelle hinaus.
»Wer ist da?«, fragte sie flüsternd. Sie erkannte sofort, dass es nicht Dimitri sein konnte, denn die Person sprach mit Akzent.
»Ich binâs. Elias.«
Pavlina zögerte einen Moment, griff dann ins Dunkel und zog ihn vorsichtig ins Licht.
»Komm ins Haus«, flüsterte sie. »Du musst schnell reinkommen.«
Die schmächtige Gestalt schlurfte hinter ihr in die Küche.
»Setz dich«, sagte sie und warf einen Blick auf den bleichen, abgemagerten jungen Mann. » Panagia mou , du siehst ja schrecklich aus. Sogar noch schlimmer als Dimitri, als wir ihn das letzte Mal gesehen haben.«
Elias blickte mit seinen dunklen, umschatteten Augen zu ihr auf. Alle Züge traten so scharf hervor in dem eingefallenen Gesicht, dass es kaum mehr menschlich wirkte.
»Du siehst aus, als bräuchtest du dringend was zu essen«, sagte Pavlina und eilte hektisch hin und her. »Gib mir nur einen Moment, dann gehe ich rauf, räume das Geschirr ab und serviere den Nachtisch.«
Kurz darauf war Pavlina wieder in der Küche. Eine blasse, ätherische Gestalt folgte ihr und schloss sorgsam die Tür.
»Guten Abend, Kyria Komninou«, sagte Elias höflich und stand auf.
»Elias! Es ist so lange her â¦Â«
Sie wollte seine Hände ergreifen, aber er wich instinktiv zurück, weil er nur zu genau wusste, wie lange er sie nicht mehr gewaschen hatte.
Sie setzten sich an den Küchentisch. Elias in seinem schmutzigen, verschwitzten Hemd und Olga in ihrem perfekten, cremeweiÃen Abendkleid schienen aus zwei verschiedenen Welten zu stammen.
Den Frauen lagen tausend Fragen auf der Zunge, aber ihnen war bewusst, dass auch Elias viele Fragen hatte. Deswegen war er ja wohl hier. Also lieÃen sie ihm den Vortritt.
»Ich war in der Irini- und in der FilipposstraÃe«, begann Elias. »Unser Haus ist abgesperrt, und unser Geschäft hat jemand anders übernommen. Wo sind â¦?«
Es hatte keinen Zweck, ihm etwas vorzumachen. Er würde die Wahrheit ohnehin bald herausfinden.
»Deine Familie ist nach Polen gegangen«, sagte Pavlina. »Vor
Weitere Kostenlose Bücher