Eine Geschichte von Liebe und Feuer
ihr so viel Aufmerksamkeit schenkte, und immer wieder berührte sie das mati , das Amulett, das an einer Kette um ihren Hals hing und sie vor dem bösen Blick schützen sollte.
Während Thessaloniki allmählich wieder zu einer gewissen Normalität zurückfand, überstürzten sich die Ereignisse in Athen. Bei der Lektüre ihrer Zeitungen wurde den Bürgern Thessalonikis klar, dass die Geschehnisse in der Hauptstadt auch tief greifende Auswirkungen auf sie haben würden.
Der Premierminister Georgios Papandreou zeigte wenig Interesse an der Verfolgung und Bestrafung griechischer Kol laborateure, sondern wollte in erster Linie die linksgerichteten Truppen entmachten. Die Linken reagierten darauf mit Ablehnung und Misstrauen und riefen zu einer Demonstration auf, die am 3 . Dezember stattfinden sollte. Tausende versammelten sich auf dem Syntagma, Athens zentralem Platz, und dabei feuerte ein Polizist, ohne angegriffen worden zu sein, in die Menge. In dem danach einsetzenden Chaos wurden sechzehn Demonstranten getötet, und in den StraÃen brach ein offener Kampf zwischen Polizei, britischen Truppen und ELAS -Anhängern aus. In den Tagen darauf nahm die Linke nun ihre Interessen in die eigene Hand und begann, Jagd auf Leute zu machen, die als Kollaborateure bekannt waren.
Die ELAS überfiel Polizeistationen und ein Gefängnis, hatte aber die Stärke ihrer Gegner weit unterschätzt, die überaus diszipliniert und gut bewaffnet waren. Eine Woche später traf massive Verstärkung ein, und die ELAS wurde in heftige Kämpfe mit den Briten verwickelt.
Anfang Januar mussten die meisten ELAS -Anhänger die Hauptstadt fluchtartig verlassen, nachdem an die dreitausend ihrer Mitglieder gefallen und über siebentausend gefangen genommen worden waren. Auch die rechtsgerichteten Truppen hatten über dreitausend Mann verloren, und viele waren festgenommen worden. Athen hatte sich während dieser Wochen in ein Schlachtfeld verwandelt.
»Also ist es das, was dein Sohn wollte?«, schrie Konstantinos seine Frau an. »Und was hat er damit erreicht?«
»Es war doch nicht bloà er«, wandte Olga ein. »Warum stellst du es immer so hin, als wäre er allein an allem schuld?«
»Weil er der einzige Kommunist ist, den ich kenne!«
Wie gewöhnlich biss sich Olga auf die Lippen. Sie weigerte sich, ihren Sohn als Kommunisten zu betrachten, sondern sah ihn als Kämpfer für Demokratie und Gerechtigkeit. Aber sie lieà sich nie auf einen Streit mit ihrem Ehemann ein. Ein Bürgerkrieg schien ihr genug.
In Thessaloniki wurde wieder gehungert. Auch Schuhe, Kleider und Medikamente verschwanden erneut aus den Regalen. Viele machten die Aktionen der ELAS dafür verantwortlich und gaben ihr die Schuld für dieses Elend. Komninos gehörte zu den Tausenden, deren Zorn sich gegen die Bewegung richtete. Nachdem in der rechten Presse Bilder von den Opfern linker Gewalttaten und Geschichten über Massengräber und brutale Vergeltungsmorde zirkulierten, wollten sich viele Bürger nicht auf die Seite von Leuten stellen, die ihre Feinde aus persönlichen Rachegelüsten töteten.
In Athen und Thessaloniki ging die ELAS nun dazu über, Tausende Zivilisten und Militärs als Geiseln gefangen zu nehmen. Die meisten waren Angehörige der Bourgeoisie â Staatsbeamte, Armeeoffiziere und Polizisten â und wurden bei bitterkaltem Wetter, ohne angemessene Kleidung und Schuhe, zu kilometerlangen Märschen gezwungen. Viele starben dabei an Erschöpfung, und die Zeitungen waren voll von Berichten über die Brutalität der durchgeführten Exekutionen.
»Er scheint sich vollkommen sicher zu sein, dass sein Sohn zu solchen Gräueltaten fähig ist«, beklagte sich Olga bei Pavlina. »Wie kann ein Vater immer nur das Schlechteste von seinem Sohn annehmen? Er denkt, Kommunist zu sein macht einen automatisch zum Mörder.«
»Dabei ist es ja nicht so, dass die Gegenseite eine blütenweiÃe Weste hätte«, antwortete Pavlina. »Ich hab eine Menge Geschichten gehört, was die so treiben, und das hört sich auch nicht besonders nett an.«
Pavlina hatte recht. Es gab extreme Grausamkeit auf beiden Seiten, aber die Linken verloren selbst in den Gegenden an Rückhalt in der Bevölkerung, die sie von den Deutschen befreit hatten. Die meisten Menschen hatten einfach genug vom Krieg und sehnten sich nach Frieden, und dem
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