Eine Geschichte von Liebe und Feuer
von Spott und Hohn.
Wenn er je wieder ruhig schlafen wollte, musste einfach etwas geschehen.
In den vergangenen Jahren hatte er weder den Wunsch noch die Möglichkeit gehabt, Dimitri zu finden. Jetzt besaà er beides. Die organisatorischen Veränderungen innerhalb der kommunistischen Truppen wären für ihn von Vorteil, weil sie es ihm leichter machten, seinen Sohn aufzuspüren. Zurück in seinem Büro, setzte er sich an seinen Schreibtisch und schrieb zwei Briefe. Der erste war an seinen Sohn gerichtet.
Lieber Dimitri,
wie Du weiÃt, waren die Entscheidungen, die Du bisher in Deinem Leben getroffen hast, ein Quell groÃen Kummers für mich. Sowohl Deine Berufswahl wie auch Deine politischen Einstellungen im Lauf Deines Studiums haben mich bitter enttäuscht. Am meisten gekränkt aber hat mich Deine Entscheidung, während der Besatzungszeit für die Widerstandsbewegung zu kämpfen.
In den vergangenen zehn Jahren war jeder Deiner Schritte ein Anlass tiefer Bestürzung und Beschämung für mich.
All diese Fehler hätten wiedergutgemacht werden können, wenn Du Vernunft gezeigt hättest, nachdem das Land wieder unserer Regierung und unserem König zurückgegeben wurde. Aber ich weiÃ, dass Du jetzt für die Kommunisten kämpfst. Du stellst Dich auf die Seite einer Bewegung, die all die persönlichen Freiheiten zerstören will, für die die Familie der Komninos seit jeher gestanden hat.
Der Ton der zweiten Hälfte war von Gehässigkeit und Beleidigung geprägt. Es handelte sich um die wahnsinnigen Ausfälle eines Mannes, der von inneren Stimmen gepeinigt wurde. Dennoch blieb sein Herz während des Schreibens kalt wie Eis und seine Absichten so berechnend, wie man es nicht anders von einem Mann erwartete, der ein Vermögen damit gemacht hatte, noch aus dem letzten Millimeter eines Seidenballens Profit zu schlagen.
Der Makel und die Schande, mit der Du unseren Namen beschmutzt, sind nicht mehr zu ertragen. Jeden Tag hoffe ich, die Nachricht von Deinem Tod zu erhalten, aber selbst darin enttäuschst Du mich. Sicher bist Du ein Feigling und nicht einmal bereit, für die Sache, an die Du glaubst, Dein Leben zu riskieren. Ich habe getan, was ich konnte, um vor unseren Bekannten geheim zu halten, welch schändlicher Partei Du Dich angeschlossen hast, was mir allerdings zunehmend weniger gelingt.
Soweit es mich betrifft, bist Du für diese Familie gestorben. Aus diesem Grunde wird Deine Mutter im Lauf der nächsten Tage die Nachricht erhalten, dass Du getötet worden bist. In nicht allzu ferner Zukunft, davon bin ich überzeugt, werdet Ihr sowieso vernichtend geschlagen, aber in der Zwischenzeit rate ich Dir, Dich nach Albanien oder Jugoslawien abzusetzen, wo Dich Deine kommunistischen Freunde bestimmt mit offenen Armen empfangen werden. Das ist das Beste für die Ehre unserer Familie. Und kehre nie â ich wiederhole: nie wieder â nach Thessaloniki zurück.
Er musste jemanden beauftragen, der gegen Bezahlung diskrete Nachforschungen anstellen, seinen Sohn aufspüren und den Brief übergeben würde. Das dürfte kaum mehr als vierzehn Tage in Anspruch nehmen. Noch bevor die Tinte richtig getrocknet war, hatte er den Mann gefunden, und schon bald darauf war der Brief unterwegs.
Der zweite Brief, den er schrieb, war lediglich ein Entwurf. Er würde jemanden brauchen, der ihn kopierte und in jeder Hinsicht, angefangen vom Absender bis hin zum Poststempel, echt aussehen lieÃ. Es herrschte kein Mangel an solchen Leuten. Fälscher hatten Anfang der Vierzigerjahre gute Geschäfte gemacht und astronomische Summen für falsche Papiere verlangt. Einige Juden, die auf keinen Fall ins Getto kommen wollten, zahlten damals fast jeden Preis für einen guten Pass. Und die Fälscher waren schlau genug gewesen, sich nur in Gold entlohnen zu lassen. Während die übrige Bevölkerung in der Hyperinflation bankrottging, hatten sie nun Geld wie Heu.
Diese Männer waren Künstler, und manche von ihnen sogar reicher geworden als Komninos. Er beauftragte den Besten mit seinem perfiden Plan.
Komninos lieà ein paar Tage verstreichen, bevor er den zweiten Brief abliefern lieÃ. Als er am Morgen aus dem Haus ging, wusste er, dass Olga bei seiner Rückkehr am Abend trauern würde.
Olga befand sich im Salon, als Pavlina den Brief auf einem kleinen Silbertablett brachte. Es war elf Uhr. »An einem Dienstag
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