Eine Geschichte von Liebe und Feuer
ist noch nie etwas Gutes passiert«, sagte sie später. Seit die Türken an einem Dienstag vor fast fünfhundert Jahren Konstantinopel erobert hatten, galt er als Unglückstag.
Sie nahm den Brief vom Tablett und starrte ihn an. Es war ein offizielles Schreiben mit einem Siegel auf der Rückseite. Briefe dieser Art enthielten nie gute Nachrichten. Einen Moment lang fragte sie sich, ob sie warten sollte, bis ihr Mann zurückkam, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Dieser Brief betraf ihren Sohn. Ihren geliebten Dimitri.
Pavlina beobachtete ihre Herrin ängstlich. Sie hatte den Brief in der Diele bereits ins Licht gehalten, aber durch den dicken Umschlag nichts erkennen können. Jetzt wagte sie kaum zu atmen, als sie zusah, wie Olga das Siegel erbrach, das Blatt aus dem Umschlag nahm und die wenigen Zeilen las.
Sie blickte zu Pavlina auf. Ihre Augen waren von unvorstellbarem Schmerz erfüllt.
»Er ist tot«, flüsterte sie, und ihr Körper wurde augenblicklich von Schluchzern geschüttelt.
Pavlina setzte sich neben sie und weinte mit ihr um den Jungen, dessen Geburt sie miterlebt hatte. Obwohl immer die Gefahr bestanden hatte, dass ihm etwas zustoÃen könnte, traf sie sein Tod als furchtbarer Schock. Und sie hätte nie gedacht, dass ihre Gebete so nutzlos sein könnten.
Dimitri befand sich zur selben Zeit in den Bergen und wartete auf den Befehl zum Angriff. Er erkannte die Handschrift seines Vaters sofort und spürte, wie der alte Hass wieder in ihm aufstieg. Aufgrund des Datums auf dem Brief wusste er, dass seine Mutter inzwischen von seinem »Tod« erfahren hatte, und bei dem Gedanken, was sein Vater ihr antat, wurde ihm übel vor Abscheu.
Olga zog sich in ihr abgedunkeltes Zimmer zurück, und Pavlina brachte den Brief in Komninosâ Büro. Sie wartete in einem Nebenzimmer, bis er ihn gelesen hatte, danach gingen beide zusammen zur Villa zurück. Es gelang Komninos recht gut, Trauer vorzutäuschen, weil er wusste, wie wichtig es war, seinen Auftritt glaubhaft erscheinen zu lassen. Sowohl Olga wie auch die Haushälterin hatten nicht vergessen, wie wütend er auf seinen Sohn gewesen war, also zeigte er sich zurückhaltend in seinem Schmerz und würdevoll in seinem Benehmen.
Zu Hause angekommen, ging er zum Zimmer seiner Frau und blieb an der Tür stehen.
»Olga â¦Â«, sagte er.
Seine Frau lag reglos auf dem Bett und starrte an die Decke.
»Olga â¦Â«, wiederholte er und näherte sich ein paar Schritte.
»Geh weg«, sagte sie ruhig. »Bitte geh weg.«
Sie ertrug es nicht, ihn bei sich haben, und er entfernte sich bereitwillig.
Mehrmals brachte ihr Pavlina ein Tablett mit Essen aufs Zimmer, aber es gelang ihr nicht, Olga dazu zu bewegen, etwas zu sich zu nehmen. Sie litt selbst, aber die Notwendigkeit, sich um ihre Herrin zu kümmern, lenkte sie ein wenig ab.
Bevor die Nachricht von Dimitris vermeintlichem Tod veröffentlicht wurde, schickte Komninos eine Botschaft an Gourgouris.
Katerina arbeitete gerade eifrig an einem Brautkleid und würde für die Stickerei am Saum und den Perlenbesatz auf der Schleppe noch mindestens eine Woche brauchen. Doch ihr Chef befahl ihr, das Kleid beiseitezulegen und Kyria Komninou aufzusuchen. Ihre Proteste waren vergebens.
»Sie müssen sofort los«, sagte Gourgouris. »Jemand anders kann das Brautkleid fertig machen. Wenn ein wichtiger Kunde wie Kyrios Komninos neue Garderobe für seine Frau bestellt, lassen wir ihn nicht warten.«
Katerina musste gehorchen. Die Braut wäre sicher besorgt wegen ihres Kleids, und sie war sicher, dass ihre Arbeit von einer anderen Schneiderin nicht mit der gleichen Akkuratesse fortgeführt werden konnte. Gewöhnlich durfte sie einen Auftrag beenden, bevor sie den nächsten übernahm, aber ihr blieb keine Wahl. Sie beschloss, später ins Atelier zurückzukehren und wenn nötig die ganze Nacht durchzuarbeiten, um das Brautkleid fertigzustellen.
Einen Moment lang blieb sie stehen, unsicher, ob sie wirklich gehen sollte. Sie fühlte sich unwohl unter Gourgourisâ starren Blicken und bemerkte, dass er noch etwas sagen wollte.
»Ich habe diese Muster ausgesucht, damit sie auswählen kann. Vielleicht können Sie sie bitten, ihre Wahl unter diesen hier zu treffen.«
Er reichte ihr sechs Stoffstücke. Sie waren alle schwarz und verschieden dicht gewebt, angefangen von Wolle und Samt bis hin zu
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