Eine Geschichte von Liebe und Feuer
der ein schäbiger Verräter war. Sie erstickte fast vor Scham.
Im Lauf der folgenden Wochen kam Katerina mehrmals ins Haus der Komninos. Jedes Mal versuchte Pavlina, sie auszuhorchen, aber die modistra lieà sich den Grund ihres Unglücks nicht entlocken.
Zwei Jahre waren nun seit der Nachricht von Dimitris Tod vergangen, und Olgas Trauerzeit ging langsam zu Ende. Eines Tages befand sich Katerina wieder im Haus und bügelte gerade einen hellblauen, weià getupften Rock.
»Wäre es nicht schön, wieder etwas Farbiges zu tragen?«, sagte sie zu Olga.
»Ich weià nicht. Bunte Kleider sind mir ganz fremd geworden. Es wird sich ungewohnt anfühlen.«
Plötzlich erschien Pavlina mit hochrotem Gesicht in der Schlafzimmertür. Sie war die Treppe heraufgerannt und vor Anstrengung und Aufregung ganz auÃer Atem.
»Kyria Komninou ⦠ich muss Sie sprechen. Es ist etwas passiert.«
»Pavlina! Was ist denn los, um Himmels willen?«
»Nichts Schlimmes. Im Gegenteil. Aber der Schock. Der furchtbare Schock.«
»Pavlina, sag mir sofort, was los ist!«, befahl Olga ärgerlich.
Katerina stand mit dem Rock in der Hand verlegen neben ihr. Da Pavlina den Durchgang versperrte, konnte sie nicht unbemerkt zur Tür hinausschlüpfen.
»Ich weià nicht, wie ichâs sagen soll ⦠aber â¦Â«
»Jetzt aber raus mit der Sprache, Pavlina! Was ist los?« Olga verlor langsam die Geduld.
Die Haushälterin verhielt sich tatsächlich sehr merkwürdig und schluchzte inzwischen hemmungslos. Ob aus Freude oder Schmerz war schwer zu sagen.
»Ich weiÃ, dass er tot ist. Aber â¦Â«
In dem Moment tauchte eine Gestalt hinter Pavlina auf. Ein Mann.
Um Olga schien sich plötzlich alles zu drehen, und sie sackte ohnmächtig zusammen, als Katerina seinen Namen flüsterte. »Dimitri?«
Als sie Minuten später wieder zu sich kam, saà ihr Sohn an ihrem Bett.
»Es tut mir furchtbar leid, dass ich hier so reingeplatzt bin und euch überrumpelt habe. Ich wollte euch benachrichtigen, aber das wäre einfach zu gefährlich gewesen. Also bin ich gleich hergekommen â¦Â«
Mutter und Sohn hielten sich lange umschlungen. Dann wandte Dimitri sich zu Katerina um, nahm ihre Hand, führte sie an die Lippen und küsste sie.
»Katerina mou« , sagte er. »Meine Katerina.«
»Es war ein unfassbarer Schock für uns alle. Aber ich bin so glücklich, dich zu sehen«, sagte sie.
Pavlina war nach unten gegangen, um Wasser für Olga zu holen, und kehrte mit einem Krug und vier Gläsern zurück.
Olga lag auf ihre Kissen gestützt, und die anderen saÃen auf niedrigen Sesseln um ihr Bett.
»Aber wir haben ein Brief bekommen ⦠vom kommunistischen Hauptquartier«, sagte Olga. »Wie konnte ihnen ein solcher Fehler unterlaufen?«
»Vielleicht war das nicht ihr Fehler, Mutter«, erwiderte Dimitri vorsichtig und erkundigte sich, wann sein Vater nach Hause käme.
»Er ist fort. Er will eine Seidenfabrik in der Türkei kaufen«, antwortete Olga.
Und dann erzählte Dimitri, was wirklich geschehen war. Auch wenn seine Mutter sich noch sehr schwach fühlte, konnte er ihr die Wahrheit nicht ersparen.
Er berichtete, wo er sich seit Gründung der Demokratischen Armee aufgehalten hatte, und sparte auch Details über die Schrecken des Bürgerkriegs nicht aus, die in keiner Zeitung standen. Er räumte allerdings ein, dass es zu unnötigen Gräueltaten gekommen sei und er Verwundete zusam mengeflickt habe, ganz gleich, auf welcher Seite sie gestanden hätten. Wenn jemand verletzt war oder gar im Sterben lag, habe er versucht, keinen Unterschied zu machen. Schmerz sei Schmerz, ganz gleichgültig, wer ihn erleide.
»Ich weià nicht, was geschehen wird«, sagte er. »Im Moment läuft es ganz gut für uns. Ich versuche einfach, meine Arbeit da drauÃen so gut wie möglich zu machen. Es sterben Leute auf beiden Seiten, und das ist grässlich und sinn los, aber ich kann jetzt nicht einfach alles hinwerfen und davonlaufen. Ich bin immer noch der Meinung, dass sich beide, die Rechte und die Linke, an der Regierung beteiligen sollten.«
»Dein Vater ist überzeugt, du seist Kommunist«, sagte Olga. »Und für ihn ist der Kommunismus das gröÃte Ãbel, weil er dieses Land unter seine Herrschaft zwingen will.«
»Es gibt eine Menge überzeugter Kommunisten
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