Eine Geschichte von Liebe und Feuer
innerlich kochte er vor Wut. Zweifellos waren die Machthaber für Vassilis Tod verantwortlich, und Dimitri schwor sich, dass er sich nie auf die Seite einer Regierung stellen würde, die solche Taten begünstigte. Griechenland verdiente etwas Besseres.
Oberflächlich änderte sich nichts am Leben in der Stadt. Dimitri besuchte weiterhin die Universität, und Geschäfte wie das der Morenos gingen ihren üblichen Gang. Ab und zu gesellte sich Katerina auf einen Kaffee zu Elias und Dimitri, aber der Ton ihrer Unterhaltung war ein anderer geworden. Sie trauerten um Vassili, und alle drei wussten, dass in der Stadt unter einer dünnen Decke von Normalität die Angst schwelte.
Dimitri setzte inzwischen alles daran, seinem Vater aus dem Weg zu gehen. Selbst die gelegentlichen gemeinsamen Mahlzeiten waren ihm zu viel. Olga verstand Dimitris Gefühle für seinen Vater. Seit dem Tag seiner Geburt hatte es von Konstantinosâ Seite keinerlei Anzeichen von Liebe gegeben. Sie erinnerte sich, wie ihr Mann auf das schlafende Kind hinabsah, als wäre es ein Musterstück, nicht sein eigen Fleisch und Blut. Dann war der Brand ausgebrochen, und ihre Lebensumstände hatten sich drastisch geändert. Einen Moment der Innigkeit, wenn ein Vater zum ersten Mal seinen Sohn in Armen hält, in seine Augen blickt und in dem Kind sich selbst erkennt, hatte es zwischen den beiden nie gegeben.
Jahrelang stellte sie Pavlina immer wieder dieselbe Frage.
»Was habe ich bloà falsch gemacht?«, fragte sie verzweifelt.
Pavlina hatte ihre eigene Meinung über Komninos, aber ihr Anliegen war in erster Linie, Olga zu schützen.
»Das passiert eben manchmal«, antwortete sie. »Es gibt eine Menge Männer, die sich nicht für ihre Kinder interessieren. Ihrer Meinung nach ist das Aufgabe der Frauen.«
»Vielleicht hast du recht, Pavlina â¦Â«
»Und wenn sie dann ein bestimmtes Alter erreicht haben, stellen sie fest, dass Männer aus ihnen geworden sind, und kommen in Kontakt mit ihnen. Sie werden schon sehen.«
In gewisser Hinsicht bestätigte Konstantinosâ Verhalten Pavlinas Theorie, weil er nur auf eines zu warten schien: dass sein Sohn endlich in das Geschäftsimperium einstieg. Er glaubte immer noch, er könnte Dimitri zwingen, der Sohn zu werden, den er sich wünschte. Aber diesen Wunsch würde Dimitri ihm nie erfüllen.
Eugenia arbeitete inzwischen den ganzen Tag in der Fabrik, und abends, nach ihrer Rückkehr in die IrinistraÃe, webte sie auf ihrem eigenen Webstuhl weiter. Wenn Katerina nach Hause kam, war sie immer zur Stelle und hieà sie willkommen. Dann wurde die Gasflamme unter dem briki entzündet, Kaffeeduft erfüllte das Haus, und es gab ein einfaches Abendessen. Wenn es danach noch hell genug war, nutzten beide das restliche Tageslicht, weil es die Augen sehr anstrengte, im Schein der Ãllampe zu arbeiten.
Manchmal, beim Kaffee, massierte Katerina Eugenia die verspannten Schultern, und sie erzählten sich, was sie tagsüber erlebt hatten.
Eines Tages erhielt Eugenia einen Brief von Maria, die ihre Mutter bat, zu ihr und ihrer Familie nach Trikala zu ziehen. Sofia lebte nur ein paar Kilometer entfernt in einem kleinen Dorf.
»Ich bin einmal in meinem Leben umgezogen«, sagte Eugenia. »Das war genug ⦠obwohl ich die Zwillinge sehr vermisse.«
»Ja, sicher vermisst du sie!«, erwiderte Katerina.
»Es ist nicht schön, getrennt zu sein, nicht?«
»Nein! Natürlich ist das nicht schön.«
Der Doppelsinn ihres Gesprächs kam ihnen gleichzeitig zu Bewusstsein. Eugenia drehte sich um und sah Katerina an.
»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich hab nicht nachgedacht â¦Â«
Schweigend nahm Eugenia ihre Webarbeit wieder auf, und Katerina öffnete ihre Stickkiste und nahm ein Hemdchen heraus, das sie säumte.
»Wirklich, ich wollte nicht â¦Â«
»Ist schon gut, Eugenia«, beruhigte sie Katerina. »Manchmal vergehen Monate, bis mir auffällt, dass ich kein einziges Mal an meine Mutter gedacht habe.«
Katerina lieà ihre Näharbeit sinken, und Eugenia sah, dass ihre Augen feucht glänzten.
»Es ist ein seltsames Gefühl. Tief in meinem Innern weià ich, dass mir etwas fehlt. Aber ich könnte nicht mehr sagen, was eigentlich. Ein Ort? Eine Person?« Tränen liefen ihr übers Gesicht, als sie das Unbeschreibliche zu beschreiben versuchte.
Eugenia
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