Eine Handvoll Worte
Hause alles in Ordnung?«
»Alles bestens.«
»Hat sich der Junge gemeldet, um die Treppe abzuspülen?«
»Kurz nachdem du gegangen bist.«
»Ich wollte um sechs schon weg sein – verdammte transatlantische Telefonate. Die rufen immer später als angekündigt an.«
Sie nickte. Sie wusste, dass keine Antwort von ihr verlangt wurde.
Sie fädelten sich in den Abendverkehr ein. Auf der anderen Seite der Marylebone Road konnte sie sich das grüne Trugbild des Regent’s Park vorstellen und sah Mädchen in müßigen, lachenden Gruppen auf den flirrenden Bürgersteigen darauf zugehen, stehen bleiben und in begeisterte Ausrufe ausbrechen. Neuerdings kam sie sich alt vor, wie eine Matrone, wenn sie mit diesen miederfreien Püppchen in ihren kurzen, offenherzigen Röcken und dem kühnen Make-up konfrontiert war. Zwischen ihnen und ihr lagen wahrscheinlich nur zehn Jahre Altersunterschied, dachte Jennifer, aber sie hätte ebenso gut der Generation ihrer Mutter entstammen können.
»Oh. Du trägst das Kleid.« Seine Stimme triefte vor Missbilligung.
»Mir war nicht klar, dass es dir nicht gefällt.«
»Ich habe dazu überhaupt keine Meinung. Ich dachte nur, du hättest vielleicht etwas angezogen, in dem du weniger … knochig aussiehst.«
Es nahm kein Ende. Auch wenn sie geglaubt hatte, ihr Herz mit einer permanenten Porzellanschale ummantelt zu haben, fand er immer einen Weg, ein Stück abzuschlagen.
Sie schluckte. »Knochig. Danke. Ich nehme an, daran kann ich jetzt nicht mehr viel ändern.«
»Mach keinen Aufstand. Aber du könntest ein bisschen mehr Wert darauf legen, wie du auftrittst.« Er wandte sich ihr kurz zu. »Und du könntest hier etwas mehr von dem auflegen, was du dafür verwendest.« Er zeigte unter ihre Augen. »Du siehst ziemlich müde aus.« Er lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarre an. »Gut, Eric. Leg dich ins Zeug – ich möchte gegen sieben dort sein.«
Mit folgsamem Brummen schoss der Wagen nach vorn. Jennifer starrte hinaus auf die betriebsamen Straßen und sagte nichts.
Liebenswürdig. Ausgeglichen. Ruhig. Das waren die Wörter, die ihre Freundinnen, Laurences Freunde und Geschäftskollegen verwendeten, um sie zu beschreiben. Mrs Stirling, der Inbegriff weiblicher Tugenden, stets perfekt aufgemacht, nie anfällig für die Aufregung und die schrille Hysterie anderer, minderwertiger Frauen. Gelegentlich, wenn Laurence solche Bemerkungen mitbekam, sagte er: »Perfekte Frau? Wenn die nur wüssten, was, Liebling?« Die Männer in seiner Nähe lachten dann obligatorisch, und auch sie setzte ein Lächeln auf. Häufig fanden solche Abende ein schlimmes Ende. Wenn sie hin und wieder die flüchtigen Blicke erhaschte, die Yvonne und Francis nach einem von Laurences bitteren Kommentaren austauschten, oder Bills Schamesröte, vermutete sie, dass ihre Beziehung tatsächlich das Thema vertraulicher Spekulation gewesen sein könnte. Aber niemand bedrängte sie. Das häusliche Leben eines Mannes war schließlich Privatsache. Sie waren gute Freunde, viel zu gut, um sich einzumischen.
»Und hier haben wir die reizende Mrs Stirling. Sie sehen umwerfend aus.« Der südafrikanische Attaché ergriff ihre Hände und küsste sie auf die Wangen.
»Nicht zu knochig?«, fragte sie unschuldig.
»Wie bitte?«
»Schon gut.« Sie lächelte. »Sie sehen fantastisch aus, Sebastian. Das Heiraten hat Ihnen offensichtlich gut getan.«
Laurence klopfte dem jüngeren Mann auf den Rücken. »Trotz meiner Warnungen, was?«
Die beiden Männer lachten, und Sebastian Thorne, der noch immer das Leuchten des wirklich gut Verheirateten trug, strahlte stolz. »Pauline ist da drüben, falls Sie ihr guten Tag sagen wollen, Jennifer. Ich weiß, dass sie sich darauf freut, Sie zu sehen.«
»Das mache ich«, sagte sie, dankbar, so schnell entkommen zu können. »Entschuldigt mich bitte.«
Vier Jahre waren seit dem Unfall vergangen. Vier Jahre, in denen Jennifer mit Kummer, Schuldgefühlen, dem Verlust einer Liebesaffäre zu kämpfen hatte, an die sie sich nur halbwegs erinnern konnte, und sich abgestrampelt hatte, die Beziehung zu retten, in die sie gehörte.
Wenn sie ihre Gedanken in die Richtung driften ließ, was selten vorkam, entschied sie, dass sie eine Art Wahn befallen haben musste, nachdem sie auf diese Briefe gestoßen war. Sie erinnerte sich an ihre manischen Bemühungen, Boots Identität herauszubekommen, ihre Fehleinschätzung von Reggie und ihr rücksichtsloses Nachstellen, und hatte beinahe das Gefühl,
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