Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
ihrer Wut. Bonaparte und Wellington wären vor der Schlachtlinie, die diese Frau aufzubauen wusste, auch zurückgewichen.
Auf ihren Gefangenen hatte sie dieselbe Wirkung. »Na ja, tödliche Gefallen halt.«
»Um es also mal ganz klar zu sagen, du bist ein Auftragsmörder, richtig?« Antonias Stimme war samtweich.
Diese direkte Frage ließ den Mann erbleichen. »Bitte …«
»Antworte nur.« Das Messer bewegte sich nur ganz leicht und zerschnitt mühelos den Stoff.
»Ich hab mal den einen oder anderen Gefallen getan«, gab er mit zitternder Stimme zu. »Hin und wieder. Wenn jemand bezahlen konnte.«
»Und wer konnte dieses Mal bezahlen?« Antonia hob das Messer und betrachtete es konzentriert. Die Schneide fing das spärliche Licht der einzigen Lampe im Raum ein. »Und lüg mich nicht an!«
Ihr Gefangener schwitzte jetzt sichtbar. Sein Gesicht glänzte wie Speckstein. »Eine Frau. Ich würde für sie nicht sterben, darum sag ich’s Ihnen. Sie hat rote Haare. Mehr weiß ich nicht, ich schwör’s. Sie trug einen Mantel. Sie gab mir nur die Anweisungen, wie ich ihn finde und was sie von mir will. Die Hälfte hat sie im Voraus gezahlt. Die andere Hälfte sollte ich bekommen, sobald ich den Auftrag erledigt hatte.«
Eine Frau? Lawrence wusste nicht, was er erwartet hatte, aber das sicher nicht. »Was für eine Frau?«
»Ich sagte Ihnen doch schon, ich weiß es nicht. Hab sie nicht nach ihrem Namen gefragt. Das macht man eben nicht, wenn man solche Aufträge annimmt.«
»Wenn du uns anlügst …«
»Das tu ich nicht!«
»Was denkst du? Ich weiß nicht, ob ich ihm glauben kann«, sagte Antonia an Lawrence gewandt. »Soll ich ihn töten oder erstmal nur entmannen?«
Lawrence ließ den verängstigten Mann los, der auf dem dreckigen Boden zusammensank. Er zog seine Kameradin zurück. Den Arm hielt er um ihre Taille geschlungen. »Nein, meine Liebe. Ich glaube, er ist schon gestraft genug, wenn er für den Rest seines Lebens mit dem Schatten deiner Rachsucht leben muss, die wie ein Damoklesschwert über seinem wertlosen Kopf hängt. Wir nutzen unsere Zeit am besten mit der Suche nach der Frau, die deinem Marquess nach dem Leben trachtet.«
»Er ist nicht mein Marquess.«
Das war doch schon mal ein Fortschritt. Das hatte sie bisher nie zugegeben.
Wenn er sie aber jetzt darauf hinwies, würde er nur wieder wertvollen Boden verlieren. Darum sagte er leise: »Vielleicht sollten wir Longhaven morgen früh einen Besuch abstatten und ihn über die neue Entwicklung in Kenntnis setzen.«
Es war also eine Frau , die Michael tot sehen wollte.
Interessant.
Während sie über diese neue Entwicklung nachdachte, warf Antonia ihre Mütze aufs Bett und zog das Band aus dem Haar, mit dem sie ihren langen Zopf hochgebunden hatte. Es konnte natürlich immer noch Roget sein, der hinter all dem steckte. Er könnte diese unbekannte Frau engagiert haben, damit sie diesen ungeschickten Attentäter aufsuchte. Aber es gab auch noch andere Möglichkeiten. Es war nachlässig. Sie hasste ihn mit jeder Faser ihres Körpers, aber Roget wäre schon längst tot, wenn er irgendwann schlampig vorgegangen wäre.
Eine Geliebte? Eine andere Frau außer Antonia, die es ihm übel nahm, dass er geheiratet hatte? Bestimmt hatte Michael seit seiner Rückkehr nach England nicht zölibatär gelebt. Mit ihr hatte er jedenfalls nicht geschlafen, obwohl sie sich ihm freimütig angeboten hatte. Es war also gut möglich, dass eine enttäuschte Geliebte dahintersteckte.
Verflucht sollte er sein! Er war eben zu ehrenhaft, um ihren Körper zu nehmen, solange er ihr nicht mehr zu bieten hatte.
Sie war nicht annähernd so edelmütig. Antonia warf das Haarband auf ihren Toilettentisch und begann, ihr Hemd aufzuknöpfen.
Lawrence hatte sich in den letzten Wochen von ihr ferngehalten, und das hatte sie mehr beunruhigt, als sie sich eingestehen wollte. Sie wollte ihn. Wollte die heiße Leidenschaft seiner Küsse spüren und die grobe, beinahe wilde Art, mit der er sie nahm. Sie wollte ihn neben sich im Bett spüren, wenn sie danach inmitten der zerknüllten Laken beisammen lagen. Als Liebhaber war er alles andere als zahm. Michael war immer kontrolliert und sehr geschickt gewesen. Lawrence jedoch hielt sich nie zurück.
Heute Nacht brauchte sie ihn. Schon merkwürdig. Sie fragte sich langsam, ob das alles überhaupt noch etwas mit Michael zu tun hatte. Eigentlich ging es doch nur um Lawrence und sie.
Es war eine spannende Frage, wie sie ihn verführen konnte.
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