Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
ungerührt wie immer, doch Julianne war alles andere als ruhig. In ihrem Bauch flatterten wilde Schmetterlinge. »Sie werden Harry vielleicht weiterhin lieben«, sagte sie leise. »Aber gut möglich, dass sie mit meiner Rolle bei dieser ganzen Angelegenheit alles andere als glücklich sein werden.«
»Ich bin mit dir glücklich, und das zählt für den Moment am meisten«, sagte Michael. »Vertrau mir einfach. Wollen wir? Schließlich müssen wir klarstellen, warum wir seit Neuestem die Hüter eines Kleinkinds sind.«
Ich bin mit dir glücklich …
Das war keine Liebeserklärung, aber es war ein Fortschritt.
Julianne nickte. Sie beugte sich zu Chloe herab und zupfte am Kragen des Kleids, das etwas zu groß für Chloes kleine Gestalt war. Je eher sie es hinter sich brachten, umso besser. Obwohl Michaels Zuversicht sie tröstete, wusste sie nur zu gut, dass ein Mann vom Rang des Duke of Southbrook keine unehelichen Kinder in sein Haus einlud. Er sorgte für sie, das durchaus. Aber gewöhnlich wurden sie irgendwo hingeschickt, wo sie unbemerkt aufwuchsen – und daher bald in Vergessenheit gerieten. Viele Aristokraten kümmerten sich nicht groß um die Erziehung ihrer legitimen Kinder, und schon gar nicht um die Bastarde. Da Michaels Eltern erst jetzt von Chloes Existenz erfuhren, wäre Julianne machtlos, falls sie entschieden, das Kind fortzuschicken.
Nun ja, vielleicht bin ich nicht völlig machtlos ,dachte sie. Michael wartete höflich, damit sie ihm voran aus der Bibliothek ging.
Ihr Ehemann war zweifellos ein Respekt einflößender Verbündeter.
Kapitel 21
»Das lief ja besser als erwartet.«
»Was hast du denn erwartet?« Sein Vater schenkte ihm Whiskey ein und schob das Glas behutsam über den Schreibtisch.
»Ich habe mich für Tränen und Beteuerungen gewappnet.« Michael nahm das Glas, genehmigte sich einen ordentlichen Schluck und stellte es beiseite. »Du bist nicht überrascht?«
»Was genau möchtest du denn wissen?« Der Duke of Southbrook lehnte sich zurück. Er wirkte plötzlich um Jahre gealtert. Die Fältchen um den Mund waren Michael bisher nie aufgefallen.
»Ich spreche von Mutters Reaktion.«
Sein Vater fuhr sich erschöpft mit der Hand durch das ergraute Haar. »Überrascht? Nein, eigentlich nicht. Ich bin nur überrascht, weil Harry nicht so vorsichtig war, wie er hätte sein müssen. Aber er ist nicht der erste junge Gentleman, der sich so einen groben Schnitzer leistet. Und ich bin sicher, er wird auch nicht der letzte sein.«
»Julianne hat mir erzählt, die Dame sei eine Schauspielerin.«
»Lieber Himmel«, murmelte sein Vater.
»Im Moment sieht es so aus, als sei sie verschwunden. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir noch mal von ihr hören werden.«
»Zweifellos.« Die drei Silben klangen abgehackt. »Ich wünschte, Harry hätte sich mir anvertraut. Aber das hat er nicht getan. Und was deine Mutter betrifft, die nun so plötzlich Großmutter geworden ist … Sie ist vermutlich nicht allzu glücklich, dass ihr Sohn schon vor Jahren mit einer gewöhnlichen Schauspielerin ein Kind gezeugt hat. Aber ein katastrophaler Verlust wie der von Harry bringt es immer mit sich, dass man seine Sichtweise ändert. Dieses Kind ist ein Teil unseres Sohns. Ich glaube, für sie wie für mich genügt das, und die Umstände ihrer Geburt sind uns gleichgültig.«
Das stimmte offenbar, denn nachdem sie den ersten Schock verwunden hatten, war da eine zögernde Freude über dieses Kind gewesen, und wenn Michael die erstickte Stimme seines Vaters richtig deutete, akzeptierten seine Eltern das kleine Mädchen nun.
Sie befanden sich im Arbeitszimmer des Dukes. Dichte Wolken zogen am nachmittäglichen Himmel auf, aber im Kamin brannte ein warmes Feuer, und der Geruch von gutem Whiskey hing in der Luft. »Dann bist du damit einverstanden, wie Julianne die Situation gemeistert hat?«
Michael beobachtete, wie sein Vater über die Frage nachdachte. Nach kurzem Schweigen seufzte dieser schwer. »Es ist eigentlich unglaublich, dass eine neunzehnjährige Frau gezwungen ist, sich erpressen zu lassen, um den Bastard ihres verstorbenen Verlobten finanziell zu unterstützen. Ich bewundere auch ihr Mitgefühl für uns, das sie dazu trieb. Ich bin immer noch verblüfft, weil sie ihr eigenes Geld benutzt hat, um diese Frau zu bezahlen und das Geheimnis meines toten Sohns zu bewahren. Das war ein großes persönliches Opfer. Ihre Selbstlosigkeit ist erstaunlich.«
Michael lächelte. Er konnte nicht anders.
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