Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
den Speisen, bis der Nachtisch serviert wurde. Anschließend zogen sich die Damen zurück, damit die Gentlemen in Ruhe ihren Portwein genießen konnten.
Dieses Mal passte sie gut auf, als die Damen ihre Plätze einnahmen. Die vornehme Gastgeberin war etwa im gleichen Alter wie Michaels Mutter, und sie plauderten bereits angeregt, während sie sich im Salon ihre Plätze suchten.
Tatsächlich: Lady Taylor setzte sich absichtlich dicht neben Julianne. Das war interessant, um es mal vorsichtig zu formulieren. Aufgrund der Verteilung der Sitzgelegenheiten und da fast alle Frauen älter waren als Julianne und Lady Taylor, saßen sie schließlich relativ allein in einer Ecke des Raums nebeneinander auf einem kleinen Sofa. Julianne bemühte sich, freundlich zu sein. »Wenn ich das richtig verstanden habe, seit Ihr mit Michael sehr gut bekannt seit seiner Zeit in Spanien.«
»Hat er das so gesagt?« Die andere Frau lächelte, doch das Lächeln erreichte ihre Augen nicht.
»Er hat nichts gesagt«, antwortete Julianne. Sie fühlte sich angesichts der herrlichen Hautfarbe und der üppigen Gestalt der Spanierin blass und unscheinbar. »Wenn Ihr ihn gut kennt, werdet Ihr mir zustimmen, dass er nur selten irgendetwas genauer ausführt. Schon gar nicht seine Vergangenheit.«
»Was lässt Euch denn glauben, ich würde ihn gut kennen?« Lady Taylor lehnte sich gegen das grün-weiß gestreifte Seidenpolster des Sofas. Sie war sehr anmutig und weiblich. Ihr Lächeln war strahlend, doch ihre Augen blieben wachsam.
Julianne hatte gelernt, diesen Blick zu deuten. Michael setzte ihn auch oft auf.
»Wie Ihr einander anseht«, sagte sie freimütig. Sie zögerte und schüttelte dann den Kopf. »Nein, das stimmt so nicht. Es ist eher die Art, wie Ihr einander nicht anseht.«
»Was wollt Ihr damit sagen, Lady Longhaven?«
»Ihr enttäuscht mich«, erwiderte Julianne. Ihre Stimme klang gelassener, als sie sich fühlte. »Ich dachte, Ihr wärt ehrlicher zu mir.«
» Como ?«
Sie saß höflich da und wartete, weil sie das Wort nicht verstand.
»Entschuldigt.« Lady Taylor seufzte. »Manchmal verfalle ich wieder in meine Muttersprache. Ich wollte damit ausdrücken, dass ich nicht verstehe, was Ihr damit andeuten wollt.«
»Seht Ihr? Ich denke, das wisst Ihr sehr wohl.«
Antonia verengte ihre Augen. »Ihr seid nicht so unschuldig, wie er gerne glauben möchte, nicht wahr? Ihr könnt Euch meiner Bewunderung sicher sein. Es ist nicht leicht, ihn zu täuschen.«
»Ich habe keine Ahnung, was er über mich denkt.« Julianne war nicht sicher, ob ein Gespräch ausgerechnet mit Lady Taylor über Michael so klug war. Aber schließlich hatte sie damit angefangen. »Vielleicht könnt Ihr mir ja verraten, für wie unschuldig er mich hält.«
»Es ist nie klug, für Miguel zu sprechen.« Lady Taylor zuckte nachlässig mit den Schultern.
Doch die Antwort verriet Julianne, dass ihr Mann mit Lady Taylor über sie geredet hatte. Sie empfand leichte Irritation bei der Vorstellung, denn das setzte eine Intimität voraus, die ihr erneut einen eifersüchtigen Stich versetzte. Dieses fruchtlose Gefühl war zweifellos doppelt nutzlos, wenn sie es wegen Michael empfand. Möglichst kühl erwiderte Julianne: »Ich bin sicher, da habt Ihr recht.«
Das folgende Schweigen fühlte sich unangenehm an, und Julianne überlegte, wie unhöflich es wäre, einfach aufzustehen und den Salon zu verlassen. Sehr unhöflich, entschied sie. Aber wie höflich musste sie denn einer Frau gegenüber sein, die einst eine Beziehung zu ihrem Gatten unterhalten hatte, oder, schlimmer noch, diese weiterhin unterhielt? Sie hatte zwar keine stichhaltigen Beweise außer Michaels Geständnis, dass sie sich während des Kriegs kennengelernt hatten. Aber an dem Abend, als Lady Taylor sich ihr auf dem Ball genähert hatte, hatte er auf jeden Fall sein Möglichstes getan, damit ihr Gespräch nur kurz ausfiel.
»Ich habe den Eindruck, Euch irgendwie verärgert zu haben.« Antonia Taylor streckte die Hand aus und legte sie leicht auf Juliannes Arm. »Das lag nicht in meiner Absicht. Wir liegen altersmäßig nicht so weit auseinander, und ich bin noch immer auf vielfältige Weise eine Fremde in England. Ich habe im Haus meines Mannes gelebt, doch nie mit ihm zusammen – er wurde bei Quatre Bras getötet. So kurz vor Ende des Kriegs.« Sie schüttelte den Kopf. »Eine Schande. Er war ein caballero – ein Gentleman. Aber so ist es nun mal gekommen, und ich nehme das Schicksal an. Trotzdem
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