Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
Augen beobachtete das Mädchen sie stumm. Doch als Julianne sich dieses Mal vorbeugte, kam Chloe ohne Zögern zu ihr und erlaubte ihr, den kleinen, kalten Körper hochzuheben und fest an sich zu drücken. »Wir fahren zurück nach Southbrook«, stellte Julianne klar. »Sofort.«
»Ja, Mylady.«
Sie blickte ihm fest in die Augen. »Ich vermute, wir werden später darüber reden, woher Sie so schnell gekommen sind.«
»Ist sie verletzt?« Fitzhugh beobachtete aufmerksam das Kind auf ihrem Arm und überging die Bemerkung. Auch gut. Sie fror und war völlig durchnässt. Ihr war nicht danach, mit ihm zu streiten.
»Ich glaube nicht.« Julianne blickte auf Chloes blasses Gesicht herab. »Vermutlich hat sie Hunger und ist verängstigt. Aber so, wie sie sich an mich klammert, war sie nicht allzu lange allein. Sie ist noch bei Kräften.«
War sie vielleicht nur wenige Stunden allein gewesen? Aufgrund der Kälte im Innern des Hauses fürchtete Julianne, es könnte länger gewesen sein. War das Kind etwa über Nacht allein gewesen? Eine ganze entsetzliche Nacht lang?
Julianne wollte am liebsten weinen, aber zugleich freute sie sich auch irgendwie. Es war vorbei. Sie würde endlich die Wahrheit sagen.
Was für eine Erleichterung.
Dieser verflixte Angriff traf ihn völlig unerwartet. Die Kugel durchschlug den Ärmel und seinen Unterarm und zerfetzte den Mantel. Michael warf sich instinktiv zu Boden – ein alter Trick unter Soldaten. Er wog seine Möglichkeiten ab, während er in den Schatten einer gestutzten Hecke abrollte. Die ersten Leute riefen bereits, denn auch wenn viele Männer seines Stands durchaus verwegene Kerle waren, war Mayfair nicht unbedingt ein Ort, der von knallenden Pistolenschüssen erschüttert wurde.
Ohne Rücksicht auf seinen teuren Mantel und die Hose entschied er sich, durch das Gebüsch zu kriechen, um einen Blick auf seinen Angreifer zu erhaschen, der im strömenden Regen stand. Michael war bewaffnet, allerdings nicht mit einem Gewehr oder einer Pistole.
Der Attentäter hielt sich versteckt. Das war also kein beiläufiger Angriff auf einen gut gekleideten Mann, um ihn um seine Geldbörse zu bringen.
Trotzdem … Das war ein sehr unbedachtes Vorgehen, wenn der Angreifer bei diesem Wetter auf ihn schoss. Das war so gar nicht die Handschrift von Roget. Michael verschmolz mit den Schatten und kroch hinter einen tropfenden Busch. Er wartete, bis er eine dunkle Gestalt ausmachte, die aus einer Gasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite kam. Es wurde langsam dunkel, weshalb er den Mann nur als verschwommenen Schemen wahrnahm.
Sobald man aber seinen Feind erst ausfindig gemacht hatte, war das Spiel ausgeglichen.
Es war nicht der richtige Moment, über die Straße zu stürzen und den Angreifer zu verfolgen. Bei diesem Sturzregen glaubte er vielleicht, er habe sein Ziel getroffen. Michael bewegte sich seitwärts weiter und hielt nach einer Bewegung Ausschau.
Da! Eine Silhouette tauchte im strömenden Regen auf. Er sah ein blasses Gesicht, doch dann drehte die Gestalt sich um und blieb reglos stehen. Offenbar erkannte er erst jetzt, dass kein Leichnam dort lag, wo er ihn vermutet hatte. Dann rannte er plötzlich los und verschwand in einer Gasse. Der Regen verschluckte seine Schritte.
Daneben, du Scheißkerl ,dachte Michael grimmig. Obwohl er durchaus versucht war, ihn zu verfolgen, tat er es nicht. Er trug nicht mal eine Feuerwaffe bei sich.
Das war wirklich merkwürdig. Gewöhnlich hätte er den Angreifer verfolgt, ungeachtet seiner Verwundung. Aber er hatte das Gefühl, inzwischen seien die Tage vorbei, als er Kopf und Kragen riskierte. Charles gegenüber hatte er das bereits erwähnt. Außerdem blutete er sehr stark, was wohl neuerdings ein geradezu alltägliches Ereignis war. Er riss den Ärmel nach oben und fluchte lautstark. Dann zog er sein Taschentuch hervor und gab sein Bestes, um den Blutfluss abzudrücken. Die Zahl der Hemden und Jacketts, die er zuletzt hatte neu kaufen müssen, würden seinen Schneider zu einem reichen Mann machen.
Der dritte plumpe Versuch, ihn zu ermorden … O nein, das war nicht Roget.
Diese Schlussfolgerung war einerseits beruhigend – er lebte noch, weil Roget es nicht auf sein Leben abgesehen hatte – und zugleich enttäuschend. Wenn er die Fakten betrachtete, hatte er keine Ahnung, wer versuchte, ihn umzubringen. Und sein alter Feind war immer noch auf freiem Fuß.
»Geht’s Euch gut, Mylord?« Ein junger Diener von einem nahen Haus kam auf ihn
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