Eine Hexe zum Verlieben 3: Jaguare Küsst man nicht - Ein Elionore Brevent Roman (German Edition)
eine entfernte Form von Angst. Es ist immer noch Vincent, aber seine Gestaltwandler-Magie umflutet mich plötzlich mit solch einer ungekannten Macht, dass mir fast schwindelig wird.
Nicolas steht ebenfalls auf, tritt einen Schritt vor mich, und in diesem Moment sieht Vincent, der sich an die gegenüberliegende Wand gelehnt hat, mir in die Augen. Instinktiv liegt mir der Schutzzauber schon auf den Lippen, da senkt er den Kopf und verschwindet.
Maria bleibt unbewegt stehen. «Er gehört hier nicht her», sagt sie dann leise und auch sie sieht mich für einen Moment direkt an.
Würde ich ihrer Gattung angehören, hätte ich spätestens jetzt geknurrt, gefaucht oder gebissen. So aber schlucke ich einmal trocken und sage unter Auferbietung aller Kräfte: «Klär uns auf, Maria.»
Und das tut sie.
«Vicente ist anders als wir, die immer noch sein Rudel sind. Als der Tod Einzug hielt, ist er gegangen. Aus Schmerz und aus Gründen, die meine Vorstellung übersteigen.»
Ich höre die Worte, kann sie aber nicht fassen. Maria spricht mit leiser Stimme ungerührt weiter und bietet mir ein neues, unbekanntes Puzzleteil von meinem Vincent an, das sich erst nur sehr sperrig in mein Wissen um sein Leben einfügen will.
Gierig hänge ich an ihren Lippen, obwohl mir nur zu deutlich bewusst ist, dass er mir das alles selber erzählen sollte, erzählen müsste. Es ist sein Leben, seine Vergangenheit. Aber ich höre weiter schweigend zu, während Florentines kleine Hand sich sanft auf mein Knie senkt. Sie spürt wohl instinktiv, wie es mir bei dieser Offenbarung aus Vincents unbekanntem Leben geht.
«Unsere Kinder können sich in den ersten Jahren nicht verwandeln, sie kommen als Jaguar zur Welt. Die Mütter bleiben dann so lange im Dschungel und werden von den Wächtern beschützt. Dennoch leben wir einen großen Teil unseres Lebens recht zivilisiert in menschlicher Form. Wir verlassen das Rudel, gehen zur Schule, studieren, einige von uns bleiben dann lange in den Städten. Dennoch kehren wir alle immer wieder zurück.»
«Warum?», fragt Nicolas in die Pause hinein.
Sie zuckt nur mit den Schultern und schüttelt dann den Kopf. Offensichtlich ist auch sie nicht bereit, uns alles zu erzählen, was sie weiß. Aber auch eine selektive Auswahl an Informationen ist besser als nichts.
«Warum sprichst du so gut Deutsch?», fragt Nicolas, wohl bemüht die Brasilianerin jetzt auszuquetschen wie eine Zitrone.
«Ich habe in München Maschinenbau studiert, lebe jetzt aber wieder im Dschungel. Wir sind nicht mehr so viele wie früher. Viele Jaguare sind verschwunden. Und wir brauchen Vicente. Es geht etwas vor. Die Magie verwirbelt, er muss kommen.»
In ihren letzten Worten schwingt blanke Verzweiflung mit.
Kapitel 6
Das alles nimmt mich mit. Dabei habe ich gar nicht so viel erfahren. Oder vielleicht doch?
Er ist anders. Diese Worte wandern mir immer wieder durch meinen verwirrten Kopf, bis es nach einigen Minuten in meinem Innersten aussieht, als wäre ein Hurrikan von den Ausmaßen Katrinas durch mich hindurch getobt. Falls Sie jetzt der Meinung sind, wenn man zwei (2!) Jahre mit einem Menschen/Wesen zusammenlebt, sollte man diese Dinge aber schon wissen, liegen Sie richtig. Die Herkunft und die Existenz von Schwestern sollte man kennen, zumindest rudimentär. Ich bin da ganz Ihrer Meinung.
Aber schon letztes Jahr, als Vincent mir offenbarte, dass er nicht nur von den Hasen im Hegewald lebt, sondern noch einen echten Brotjob als Programmierer in Brasilien hat, war ich wie vor den Kopf gestoßen. Aber anstatt die Gelegenheit bei den Eiern zu packen, habe ich nicht weiter nachgebohrt und auf mehr Informationen bestanden. Es ist nämlich so, dass ich Vincent liebe. Sehr liebe. Und tief in mir existiert eine diffuse Angst, ihn zu verlieren, wenn ich tiefer in seiner Vergangenheit stochere. Dabei sind seine seelischen Verletzungen jeden Tag so offensichtlich, dass es mir manchmal regelrecht wehtut.
Das alles geht mir durch den Kopf, während ich wie festgenagelt auf dem Sofa sitze. Als meine Mutter dann noch dreimal hintereinander anruft, um mich augenblicklich, sofort und zackig zu meiner Erdlinie zu beordern, fühle ich mich nicht mehr fahrtüchtig und überlasse Nicolas das Steuer meines Autos. Und das passiert höchst selten.
Maria ist kurz nach diesen, mit diesem zauberhaften Dialekt vorgetragenen Offenbarungen ebenfalls verschwunden. Flo hat sie noch mit wohlgemeinten Ratschlägen versorgt (es gibt hier Jäger, Hunde, tiefe
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