Eine Hexe zum Verlieben 3: Jaguare Küsst man nicht - Ein Elionore Brevent Roman (German Edition)
bekommen habe, ein halbwegs schlüssiges Bild ergeben. Es gibt noch ein großes Puzzlestück, da bin ich mir ganz sicher, und sobald sich das in das unfertige Bild einfügt, wird nichts mehr sein wie vorher.
Auf meine Vorahnungen konnte ich mich bisher immer verlassen. Ich glaube nämlich, dass sie von meinem Unterbewusstsein ausgespuckt werden und dieses viele Fakten bereits registriert, bevor ich sie überhaupt bewusst wahrnehme.
Ich höre ein Auto mit hoher Geschwindigkeit über meine Auffahrt brettern und öffne vorsichtig die Augen. Mein Ortungssystem vermeldet mir meine Mutter – in einem sehr aufgeregten Zustand. Mit quietschenden Reifen hält sie drei Millimeter vor der Stoßstange meines Alfa Romeos und die Fahrertür geht auf. Ihr entsteigt meine Mutter, das wilde Haar durch ein gelbes Haushaltsgummi gebändigt, ein rosafarbener, weiter Rock bauscht sich ihr um die Beine und sie trägt einen Pullover mit der Aufschrift «Zornröschen». Nein, wie passend!
Wieso ist mir nicht ein klein wenig Ruhe vergönnt? Ich bin doch gerade so intensiv in hochkomplexe Gedankengänge bezüglich meiner Intuition vertieft. Ich seufze innerlich und schließe die Augen wieder.
«Was machst du da?», faucht meine Mutter und baut sich vor mir auf.
«Ich meditiere», antworte ich leise und transportiere mit tiefen Atemzügen Sauerstoff zu meinem Solarplexus.
«Hör jetzt mal auf damit!»
Sie stemmt die Fäuste in die Seiten, das kann ich sehen, weil ich die Augen sicherheitshalber einen Spaltbreit öffne. Bei meiner Mutter weiß man nämlich nie, es ist immer besser, sie im Auge zu behalten.
«Willst du immer noch wissen, wer Pax ist?», schnauzt sie mich an, und ich vergesse vorübergehend das tiefe Atmen.
Ahrg!
Ja … eigentlich schon. Wobei ich befürchte, dass umgehend danach mein Leben noch komplizierter sein könnte. Was ja zum aktuellen Zeitpunkt fast schon nicht mehr geht.
«Ähm, ja», antworte ich vorsichtig, und meine Mutter setzt sich augenblicklich vor mich im Schneidersitz auf den Rasen.
Alle Vögel stellen schlagartig ihr fröhliches Gezwitscher ein. Eine fast gespenstische Stille senkt sich über mich und meinen Garten. Sogar die Bäume hören auf mit den Blättern zu rascheln. Smilla Brevent ist endlich bereit zur großen Enthüllung.
Die große Enthüllung beginnt sie mit den Worten: «Sag mal Eli, bist du eigentlich ein wenig blind?»
Ich antworte erstmal gar nichts. Positiv zu vermerken wäre die Tatsache, dass sie «ein wenig blind» sagt und nicht «ein wenig blöd».
«Du willst mir doch nicht erzählen, dass du das nicht schon längst weißt.» Meine Mutter hat ein wenig die Stimme gesenkt und starrt mich an wie etwas, was unaufgefordert in den Keller gekrochen ist und über mehr als vier Beine verfügt.
«Mutter, sprich dich endlich aus!», knurre ich leise und halte mich bei diesen Worten am Rasen unter meinen Fingern fest.
Sie schnalzt einmal missbilligend mit der Zunge und schüttelt den Kopf. «Hmmmpf!», macht sie dann und springt wieder auf die Beine. Sie umrundet mich zwei Mal, beim dritten Mal bleibt sie direkt vor mir stehen und sagt: «Ja, Göttin! Er ist dein Vater. Was denkst du denn bitte, was für ein großes Geheimnis sich um ihn und mich ranken soll?»
Habe ich es doch gesagt. Danach ist mein Leben noch komplizierter. Mein Gehirn weigert sich ein paar Sekunden, den korrekten und sich aus diesen Informationen ergebenden Satz zu formulieren, aber dann endlich kommt er mir von den Lippen: «Was?»
«Er ist dein Vater», wiederholt meine Mutter, als wäre ich grenzdebil.
Ich schweige und starre sie an. Was daran liegt, dass mein Hirn gerade schlecht durchblutet ist, weil all mein Blut sich in meinem Herzen befindet, das einen kleinen Trommelwirbel in meiner Brust produziert.
«Ach, komm …» Sie runzelt die Stirn und setzt sich wieder hin. «Erzähl mir nicht, dass du das nicht wusstest.»
«Nein, wusste ich nicht.»
Meine Stimme klingt so schwach, wie ich mich fühle. Sie zittert sogar leicht. Hätte ich das wissen müssen? Wo war der Punkt, an dem es mir siedend heiß ins Hirn hätte springen müssen? Habe ich den verpasst? Wissen es alle anderen auch? Und was bedeutet das? Viele Fragen. Eine schafft es bis zu meiner Zunge: «Und wie kommt das?»
Meine Mutter schweigt. «Bienchen, Blümchen …», sagt sie dann leise und guckt mich an, als würde ihr jetzt erst auffallen, was für ein sonderbares Kind sie da in die Welt gesetzt hat.
Unter meinen Handflächen
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